Ab in die Schule!

Das Schulmuseum im Schloss Reckahn im Havelland zeigt Leben und Wirken von Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805), der Reckahn im 18. Jahrhundert zu einem Zentrum aufgeklärter Reformen der ­Erziehungspädagogik und zum Mekka politischer und gesellschaft­licher Prominenz machte.

300 Jahre Schulpflicht in Brandenburg dank Friedrich Wilhelm I.

Am Montag beginnt in Brandenburg wieder die Schule. Und wir feiern in Brandenburg in diesem Jahr nicht nur das 500-jährige Reformationsjubiläum, sondern ein zweites großes: Das 300-Jährige der Schulpflicht in Brandenburg, was auch schon Thema beim diesjährigen Schlossfest in KW war.

Unser Autor, Pastor a.D. Dietrich Wegmann aus Ragow, erinnert an die Einführung der Schulpflicht.

„Die Schule ist aus Lehm gebaut, die wackelt, wenn der Lehrer haut!“ Als wir das – bis in die 50er Jahre – sangen, da waren unserer Schulen zumeist solide preußische Anstaltsbauten mit Schinkelschen Ziegelsteinfassaden. Aber das alte Schelmenlied beschreibt, was Jahrhunderte galt: das baufälligste Gebäude im Dorf wurde Schule und der Stock als Erziehungsmittel musste abgemusterten „Corporals“, die das aus dem Umgang mit Rekruten kannten, als Handwerkszeug für die neue Aufgabe  dienen. Unser Schlossherr in KW, Friedrich Wilhelm I., hatte am 29.Sept.1717 verfügt, dass in den Dörfern der königlichen Besitzungen für alle Kinder Schulpflicht durchzuführen sei – und damit den Schulzen und Dorfältesten schwere Aufgaben auferlegt. Noch schwerer wurde es, als der sonst so knauserige Soldatenkönig dies auch noch für sein ganzes Land durchsetzen wollte. Gegenwind kam von seinem Geheimrats-Kollegium (die damalige Form der „Regierung“): „wird zu teuer!“ Weiterer Protest von den Gutsbesitzern: Wir brauchen die Kinder auf den Feldern! Auch die Eltern dachten so, und der beschränkte Untertanenverstand wurde nicht gefragt, die Kinder selbst schon gar nicht. Den Bauern fehlte die Einsicht, wie wichtig  Schulbildung ist. Das brauchen unsere Kinder nicht! Sie sollen auf dem Feld und im Haus arbeiten, statt die Zeit in der Schule zu versitzen! Zugegeben: Die Kinder lernten in der Schule sowieso nichts. Sie vermittelte den Katechismus und ein bisschen was an Grundlagen der christlichen Glaubenslehre. Allein mit dem Zweck, zu rechtfertigen, dass die bestehende Ordnung gottgewollt ist. Die Schule sollte nur den Eigenwillen der Kinder brechen und ihnen von klein auf beibringen, sich den herrschenden Autoritäten zu unterwerfen.

Ein 3.Protest kam aus den Kreisen der Geistlichkeit. Nicht, weil sie neue  Aufgaben und Mehrarbeit befürchtet hätten – ein Schelm, der das vermutet! Sie sorgten sich um ihr orthodoxes Luthertum: jetzt will das Herrscherhaus uns auf diesem Weg den Calvinismus aufdrücken. Seit 1609 waren nämlich die Hohenzollern aus politischen Gründen reformiert, also calvinistisch geworden. Der harte Konflikt des „Großen Kurfürsten“ mit dem Theologen und Kirchenliederdichter Paul Gerhardt war noch in guter Erinnerung. Friedrich Wilhelm I. widerstand dem Gegenwind, seine Argumente setzten sich durch: Das wirtschaftliche Florieren der reformierten Städte und Landschaften Europas war ihm das Geld für Bildung wert – also nicht nur lange Kerls, die wegen der damals noch sehr langen Flinten schneller laden und schießen konnten als andere, lohnten hohe Ausgaben. Die Riesen-Grenadiere mit den hohen Blechmützen hatten wegen psychologisch abschreckender Wirkung  dem Soldatenkönig teure Kriege völlig  erspart. Bildung darf kosten – und so ging  bei den Geheimräten am 29.Oktober 1717 das Edikt über das Schulwesen für alle Orte durch. Die Landjunker wurden beruhigt: nur 1-2 mal in der Woche im Sommer sollte Schule sein. Die besorgten Ortsschulzen wurden angewiesen, Handwerksmeister im Nebenamt als Schulmeister zu beschäftigen. Die  Innungen hatte ja schon seit langem für Meister auf Lesen und Schreiben bestanden. Zur Not gab es noch ausgediente „Corporals“, die das ja auch können mussten. Die Geistlichkeit beruhigte sich schnell – denn für fast hundert Jahre blieb der kleine Katechismus Luthers das einzige Lehrbuch. Nicht jedes Kind hatte solch teures Buch, aber in Form von 5 Wandplakaten und mit Hilfe der Rute und viel Auswendiglernen gab es dann doch erstmals Bildung für alle.

Schulen gab es  schon immer, aber zu wenige. Luther hatte in einem Büchlein 1524 die Bürgermeister und Ratsherren in Deutschland ermahnt, nicht nur Geld  für Mauern und Kanonen auszugeben, sondern vor allem auch für die Jungen und Mädchen (!) ihrer Städte. Dadurch kamen Schulen hinzu. Besonders wirkte dafür Philipp Melanchthon – der als Praeceptor Germaniae – „der Schulmeister Deutschlands“  – bezeichnet wurde. Die Einführung der Schulpflicht  für alle Kinder von 5-12 Jahren in Brandenburg 1717 war also auch eine Frucht der bei uns jetzt so vielfach ermüdend und geradezu geschmacklos mit Luthergummibärchen und Playmobilfiguren gefeierten Reformation vor 500 Jahren. In Brandenburgs Dörfern ging es damals bescheiden zu: mit wenig Geld, den klapprigsten  Lehmbauten und oftmals als Lehrer ungeeigneten alten Unteroffizieren und Handwerkern, die kaum Arbeit und  wenig Einkommen hatten.

Aber es war ein Anfang. 1763 wurde unterm alten Fritz daraus das  „General-Landschulreglement“, wesentlich besser gestaltet durch den Landadligen Friedrich Eberhard von Rochow aus Reckahn. Er propagierte, dass eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse nur durch Erziehung und Bildung zu erreichen sei. Sein Buch „Der Kinderfreund“ (erster Teil 1776, zweiter Teil 1779) gilt als das erste deutsche Lesebuch und ist vom Gedanken der Aufklärung getragen.

Es gab im Adel eben nicht nur Krautjunker und Kasernenhofschnösel, sondern auch viel denkende Menschenfreunde. Sie haben eine gute Entwicklung eingeleitet. In der Rokokokunst  des 18. Jahrhunderts war das Füllhorn, das viele gute Gaben ausschüttet, sehr beliebt. Die Schultüten unserer ABC-Schützen erinnern daran.

F: Tourismusverband Havelland e.V.

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