Alles Banane

Kerzen sind Quatsch. Früher als Deutschland noch nicht einig-innig Vaterland war, wurden Kerzen in die Fenster gestellt. Zum Zeichen eben der inniglichen deutschen Einheit. Sollte man jetzt, wo wir die haben, statt Coffee-to-go-Bechern besser Bananen in der Hand halten? Denn die sind ein Symbol für den Mauerfall vor 32 Jahren. Und man sollte zum Tag der Maueröffnung jedes Jahr jedem Ostler eine kostenlose Banane zugestehen. Die Banane stand für die Mangelwirtschaft in der DDR und für den Hunger der Ostdeutschen nach Westkonsumgütern. Den Ostlern gelüstete es zum nicht mehr Aushalten nach Bananen. Als ob wir nicht andere schöne Sachen hatten! Aber schon früher sang man: „Ausgerechnet Bananen, Bananen verlangt sie von mir! Nicht Erbsen, nicht Bohnen, auch keine Melonen, das ist ein’ Schikan’ von ihr! Ich hab Salat, Pflaumen und Spargel, doch ausgerechnet Bananen verlangt sie von mir!“

Honecker& Bonzen waren ja damals zu DDR-Zeiten fein raus: Sie hatten ihre Bananen. Ihnen mangelte es im Gegensatz zu ihren durch die Mauer von der Welt abgeschnittenen Bürgern nicht an Südfrüchten. Aber sie sind dann gewissermaßen auf einer Bananenschale ausgerutscht. Und gestürzt. Die Banane hat gewissermaßen mit zum Fall der Mauer beigetragen. 32 Jahren ist das jetzt her. Als die Mauer offen war bildeten sich wieder riesenlange Schlangen. Nur diesmal nicht vor den Versorgungsläden, sondern an den Grenzübergängen wie Schönefeld. Quasi auch wegen Bananen. Mit ihren Trabbis stinkerten die Ostdeutschen gegen den Duft der großen weiten Westwelt an. Damals noch freudig begrüßt. Viele Westbürger reichten ihnen auch Bananen durch die Autofenster. Für die Ossis war jetzt alles gut, quasi alles Banane.

Aber wollten die Ossis Bananen oder Demokratie und Freiheit?

Mit der Revolution strebten sie eigentlich nach Freiheit und Demokratie. Oder doch mehr nach Westautos, nach Pauschalurlaub auf Mallorca und ungezügelten Konsum von Bananen? Es waren nicht die versprochenen blühenden Landschaften, sondern die Aussicht, zur gesamtdeutschen Bananenrepublik zu werden. Bananen – sie waren die Verheißung jener Tage – zu der jetzt auch der Osten unbegrenzt Zugang haben würde. Die Banane – ein zum Fruchtfleisch gewordenes Wohlstandsversprechen. Der spätere Bundesinnenminister Otto Schily, damals noch Mitglied der Grünen, postulierte nach der Volkskammerwahl im März 1990 als er auf das gute Abschneiden der CDU bei den DDR-Wählern angesprochen wurde, zynisch: „Diese Ostprimaten haben den Kohl gewählt, weil sie Bananen wollten.” In den Wochen nach dem Mauerfall kauften die Ostdeutschen im Westen die Bananenregale leer. Und sie entblödeten sich nicht, bei Veranstaltungen von Westparteien im Osten begierig nach den Bananen zu haschen, die von offenen Lastern geworfen wurden. Und im Westen wurden dann die 100 Mark Begrüßungsgeld sofort für Bananen und billige Konsumgüter verballert. Egal, was für ein Plunder – Hauptsache aus dem Westen. Es dauerte eine Weile, ehe die Menschen merkten: Banane gewählt, Arbeit und soziale Sicherheit verloren. Und ohne Geld ist auch nichts mit der Reisefreiheit. Erst nach und nach dämmerte ihnen: Wir haben zwar jetzt Bananen und Reisefreiheit, aber die Diktatur der SED gegen die Diktatur des Geldes eingetauscht. Heute wissen wir: Die Freiheit ist nur ein Geldschein.

Und überhaupt.