Es gibt Worte – und es gibt Unworte. Worte, die etwas beinhalten, von dem man Ekel-Plaque auf den Zähnen bekommt. Seit vielen Jahren werden die ärgerlichsten Worte des jeweiligen Jahres gekürt – die Unworte des Jahres. Welches ist es 2012 gewesen? Nein, es ist nicht „Flughafeneröffnung“, wie ich gewettet hätte. Auch nicht „Ehrensold” oder „Aufsichtsratsvorsitzender“. Das Unwort des Jahres 2012 ist eines, das kaum einer kennt: „Opfer-Abo“.
Sprachforscher kürten den Begriff aus 2232 Einsendungen mit 1109 verschiedenen Vorschlägen. „Opfer-Abo“ – schon mal gehört? Den Begriff hatte Ex-Wettermoderator Jörg Kachelmann (54) in seinem Buch verwendet. Er nennt „Opfer-Abo“ jene Frauen, „die immer Opfer sind, selbst wenn sie Täterinnen wurden“ und laut Kachelmann eine vorgetäuschte Vergewaltigung benutzen, um Männer zu „vernichten“. Der Ausdruck stelle Frauen unter den pauschalen Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden, kritisierte die Jury. Dies sei sachlich grob unangemessen, ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Auf Platz zwei rügte die Jury das Wort „Pleite-Griechen” und auf Platz drei den Begriff „Lebensleistungsrente”. Das Börsenunwort 2012 ist „freiwilliger Schuldenschnitt”. „Unwörter” waren zuletzt „Döner-Morde” (2011), „alternativlos” (2010), „betriebsratsverseucht” (2009), „notleidende Banken” (2008), „Herdprämie” (2007), „Freiwillige Ausreise” (2006), „Entlassungs-produktivität” (2005), „Humankapital” (2004), „Tätervolk” (2003), „Ich-AG” (2002) und „Gotteskrieger” (2001).
Kein Unwort, aber ein Unding – vielleicht jetzt schon das Unding des Jahres – ist es, was jetzt auf den Rieselfeldern bei Ragow passiert ist: Hunderte, drei Jahre alte Winterlinden mussten gefällt werden. Kein Schildbürgerstreich, aber unbegreiflich. Die Linden waren als Kompensation für den Flughafenausbau gepflanzt worden. Winterlinden, aber ohne den botanischen Namenszusatz »Greenspire«. Es wurde wie in 99 Prozent aller Fälle die weit verbreitetere, in Holland angezogene edlere, schnell und günstiger wachsende, aber nicht teurere Variante statt der einfacheren gepflanzt. Das hatte auch bei der Abnahme niemand der Experten gemerkt. Erst ein von der Flughafengesellschaft unter Vertrag genommener so genannter „Sach-Verständiger“. Er monierte, das Ragower Biotop, einstige Scheiße-Kippe der West-Berliner, dürfe nicht durch holländische Zuchtgewächse verfälscht werden. Außerdem fordere die Ausschreibung der Flughafengesellschaft für Ausgleichspflanzungen in Ragow eine bestimmte Art von Winterlinden und pocht nun auf die Vereinbarung. Wie auch der Natur-„Schutz“-Bund Brandenburg, obwohl es nach dessen Worten Unterschiede nur von „gärtnerischer Bedeutung“ gäbe, aber die „Regionalität“ gewahrt bleiben müsse. Also raus mit den Bäumen,, koste es was es wolle! Da fasst man sich doch an den Kopf! Die Landschaftsbau-Firma will sich mit dem Flughafen nicht anlegen und bleibt auf dem Sinnlos-Schaden für sich und die Natur von 250 000 Euro sitzen. Hätte das die Flughafengesellschaft bei all dem Schaden, den sie schon verzapft hat, den aus naturschutzrechtlicher Sicht nicht notwendigen Rausriss nicht verhindern können? Statt so zu tun, als würde man jetzt – anders als in den ganzen Jahren – plötzlich durchsehen, was auf und rund um den BER passiert.
Vielleicht wird „Flughafengesellschaft“ das Unwort 2013. Die Chancen steigen.
Und überhaupt.
Mark Brandenburger