In den Nordkommunen von LDS wundern sich Abgeordnete über den geplanten Stopp der Mietpreisbremse für ihre Orte
Bezahlbare Wohnungen im sogenannten Berliner Speckgürtel, zu dem auch der Norden des Landkreises Dahme-Spreewald gehört, werden immer rarer. Das spüren junge Familien, die nach etwas mehr Platz für ihre Kinder suchen; das spüren Studenten, die in Hochschulnähe eine Bleibe brauchen; das spüren Senioren, die sich flächenmäßig verkleinern wollen, aber nur schwer eine adäquate altersgerechte Lösung finden. Und auch die Politik hat das Problem mit ihrer sogenannten Mietpreisbegrenzungsverordnung und Kappungsgrenzenverordnung – zu gut deutsch: mit der gesetzlich verfügten Mietpreisbremse – erkannt. Oder doch nicht?
In der LDS-Region fielen bislang die sechs Kommunen Schönefeld, Eichwalde, Zeuthen, Schulzendorf, Wildau und Königs Wusterhausen unter den Schutzschirm, wonach die Mietpreise bei Neu- und Wiedervermietungen maximal um 10 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen dürfen und bei Erhöhungen für Bestandsmieter maximal um 15 Prozent innerhalb von drei Jahren steigen können. Dies soll ab Anfang dieses Jahres nach Willen des zuständigen Brandenburger Fach-Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) nur noch in Eichwalde und Schulzendorf gelten. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Landesregierung in Schönefeld, Zeuthen, Wildau und Königs Wusterhausen nicht mehr von einem angespannten Wohnungsmarkt ausgeht. Zum Jahresende 2020 sind die in Brandenburg seit 2014 geltenden Regelungen ausgelaufen. Eine Neufestsetzung aber liegt im Entwurf vor und soll Anfang Februar rückwirkend zum 1. Januar 2021 für 19 Gemeinden statt der bisherigen 31 Gemeinden beschlossen werden.
„Das verstehe, wer will“, sagt der Vorsitzende der Linken-Fraktion in der Gemeindevertretung von Wildau Heinz Hillebrandt. Dass sich der Wohnungsmarkt in Wildau oder generell im Berliner Umland in den letzten fünf Jahren entspannt habe, sei für ihn absolut nicht nachvollziehbar. „Wir haben doch die gegenteilige Tendenz. Bei der Wildauer Wohnungsbaugesellschaft und der Wohnungsgenossenschaft Wildau, die hier im Ort einen Großteil des bezahlbaren, kommunalen Wohnraums verwalten, gibt es lange Wartelisten. Normalverdiener, Alleinerziehende, Rentner sind auf dem freien Markt chancenlos.“ Die Landesregierung beruft sich bei ihren beabsichtigten Neuregelungen auf ein Gutachten der Hamburger F+B Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH, die sie im Vorfeld mit einer Ermittlung der Daten vor Ort beauftragt hatte. Das Beratungsunternehmen nahm aufgrund von Kriterien wie Wohnungsversorgungsgrad, Wohnkosten oder Höhe der Angebotsmieten seine Bewertung vor. Der sogenannte Wohnungsversorgungsgrad der jeweiligen Kommune wurde zum Beispiel aus dem Verhältnis der im Ort lebenden Haushalte und der dort zu Verfügung stehenden Wohnungen errechnet. Bei einem Versorgungsgrad von 99 Prozent und mehr ist der Wohnungsmarkt nicht mehr angespannt. In Schönefeld und Zeuthen liegt der Wert dem Gutachten zufolge über 100 Prozent, in Königs Wusterhausen und Wildau über 99 Prozent. „Diese Daten sagen aber nichts über die sozialen Verhältnisse der Einwohner vor Ort aus“, kritisiert Heinz Hillebrandt.
In Wildau und in Schönefeld herrscht zudem Verwirrung über einen dem Gutachten mit zugrunde liegenden Fragebogen, in dem die Verwaltungen um konkrete Auskünfte und Einschätzungen gebeten wurden. Aus dem Gutachterbüro heißt es, dass dieser Anfang des Jahres 2020 an 63 Kommunen, darunter auch Wildau und Schönefeld, versandt wurde. Die Gemeindeverwaltung in Wildau beteuert aber, keinen erhalten zu haben. Erst per 20. Dezember 2020 sei sie vom zuständigen Ministerium zu einer Stellungnahme zur neuen Verordnung bis zum 18. Januar 2021 gebeten worden. In der Begründung des Ministeriums zu seiner neuen Verordnung heißt es aber, dass sechs Brandenburger Gemeinden, darunter auch Wildau, keinen Bedarf für eine Kappungsgrenze sahen. Und weiter heißt es: „Schönefeld teilte mit, dass im Vorjahr Bauarbeiten für über 700 Wohnungen begonnen wurden und weitere Baugenehmigungen erteilt wurden. Aufgrund des veränderten Wohnungsmarktes sei ein Bedarf für mietpreisbegrenzende Maßnahmen nicht mehr gegeben.“ Von einer solchen Stellungnahme wisse die Gemeindevertretung nichts, so der Schönefelder Fraktionschef der Linken Gerhard Katzer. „Sie ist nicht beteiligt worden!“
Inzwischen ist die Neuregelung der Brandenburger Mietpreisbremsen in Wildau, Schönefeld und auch Zeuthen aber auch Gegenstand der Gemeindevertretungen. In Wildau herrscht ungeachtet des Klärungsbedarf hinsichtlich des Fragebogens von Anfang 2020 Einigkeit zwischen Rathaus und SVV, dass man sich für eine Beibehaltung der Begrenzungsverordnungen einsetzt. Entsprechend wurde von der Stadt der Fragebogen vom Dezember 2020 ausgefüllt und an die Landesregierung geschickt. In Schönefeld gibt es schon einen entsprechenden Beschluss der Gemeindevertreter, der auf Antrag der Linken mit großer Mehrheit der Abgeordneten verabschiedet wurde. Dabei wurde auch der Bürgermeister aufgefordert, dies dem Ministerpräsidenten Brandenburgs per Brief mitzuteilen. Dieser Brief ist am 16. Dezember 2020 an die Landesregierung verschickt worden. Tatsache aber ist, dass der Vorgang bis Ende November an den Gemeindevertretungen völlig vorbeilief. Ob die späten Reaktionen noch zu Änderungen des Gesetzentwurfes führen, bleibt abzuwarten. TM