
Der KaWe-Kurier sprach mit Apotheker Knut Sabelus über aktuelle Entwicklungen auf dem regionalen Apotheken-Markt
KaWe-Kurier: Herr Sabelus, wie wir schon vor einigen Wochen berichteten, haben sie unlängst die Märkische Apotheke und die Sonnen-Apotheke in Königs Wusterhausen erworben. Wie geht es da weiter?
Knut Sabelus: So ist es. Die Apothekerin wollte sie aus gesundheitlichen Gründen verkaufen. Ich habe diese Apotheken zum 30. Juni 2019 gekauft. Nach gründlicher Analyse der betriebswirtschaftlichen Lage habe ich jedoch beschlossen, beide Apotheken dann am 30. Juni sofort zu schließen. Ein betriebswirtschaftlicher Erfolg lässt sich seit einigen Jahren für beide Apotheken nicht mehr darstellen. Das wirtschaftliche Ergebnis dieser Apotheken zusammen liegt sogar unter dem tariflichen Einkommen einer angestellten Apothekerin.
Bedeutet dies das endgültige Ende für diese beiden Apotheken?
Eindeutig ja – so leid es mir tut. Beide Apotheken (bzw. deren Vorgänger) kenne ich als Kind und Praktikant noch aus DDR-Zeiten – genauso wie die derzeitige Leiterin, die eine ausgezeichnete Naturwissenschaftlerin ist. Wir sind zusammen zur Schule gegangen – unsere Mütter sind befreundet. Da ist man nicht gleichgültig.
Es sind doch zwei bekannte Apotheken in der Stadt und in der Region – wie kann das sein?
Es ist leider der generelle Trend. Wir haben deutschlandweit in den letzten Jahren rund zehn Prozent aller Apotheken verloren. Derzeit verstärkt sich dieser Trend sogar. Bei uns in der Region schlossen bereits je eine Apotheke in Eichwalde, Zeuthen, Wildau, Waltersdorf und in Ludwigsfelde.
Worin liegt der Grund?
Es gibt aus meiner Sicht mehrere Gründe. Hauptsächlich liegt es wohl daran, dass unser packungsbezogenes Honorar seitens der Krankenkassen seit 2004 nur ein einziges Mal um rund drei Prozent angehoben wurde – die Löhne und auch alle anderen Kosten jedoch viel stärker stiegen. Der Versandhandel mit Medikamenten, der seit 2004 gestattet wurde, spielt da ganz sicherlich auch eine Rolle. Im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung wollte man diesen, meiner Meinung nach falschen Weg zur Arzneimittelversorgung durch ein Versandverbot rezeptpflichtiger Arzneimittel wieder beenden – jedoch scheint sich hier einmal mehr die Lobby der Konzerne durchzusetzen. Nur Tierarzneimittel sind vom Versand ausgeschlossen – welche Ironie!
Wie geht es für die Kunden dieser beiden Apotheken weiter?
Dazu bündeln wir die Kräfte in unseren Apotheken. Einige Mitarbeiter der betroffenen Apotheken konnten wir dazu gewinnen, bei uns weiterzuarbeiten – und dies sogar zu attraktiveren wirtschaftlichen Bedingungen. Unsere Königs Wusterhausener Apotheke in der Eichenallee werden wir im Juni umbauen und technisch dabei massiv aufrüsten, so dass wir die Kunden der beiden Apotheken pharmazeutisch bestens versorgen können.
Was sollten die Kunden der zu schließenden Apotheke beachten?
Aus Datenschutzgründen wissen wir noch nicht, ob wir am Jahresende Quittungen über geleistete Rezeptzuzahlungen für die in 2019 eingelösten Rezepte erstellen dürfen. Daher ist es ratsam, sich einen Zwischenbeleg dafür in den betroffenen Apotheken noch bis Ende Juni erstellen zu lassen. Ansonsten gewährleisten wir eine nahtlos stabile weitere Versorgung auf qualitativ höchst möglichem Niveau – dies war und ist schon immer unser Anspruch.
Werden Mitarbeiter der Märkischen Apotheke oder der Sonnen-Apotheke den Verlust ihrer Arbeitsplätze zu befürchten haben?
Dies kann ich getrost ausschließen. Eher ist das Gegenteil der Fall. Wir suchen ständig Mitarbeiter. Leider kann man bis heute in Brandenburg nicht Pharmazie studieren und damit Apotheker werden. Diese Nachlässigkeit der Landesregierung führt aktuell zu einem immer gravierenderen Mangel an Fachkräften. Unser Berufsstand fordert seit vielen Jahren, dies zu korrigieren – bisher leider ohne Erfolg.
Warum ist das so?
Aus meiner Sicht stellt es sich so dar, dass es viel einfacher und vor allem preiswerter für die Universitäten und die Politik ist, Studenten ohne Labor-Praktika und aufwendigen Studienplan auszubilden – wie beispielsweise BWL-Studenten. Diese landen dann zwar oft in prekären Arbeitsverhältnissen oder gar in Praktika – jedoch kann man so bessere „Zahlen“ vorweisen. So gibt es für Pharmazeuten sogar eine Zulassungsbeschränkung bei diesem Mangel. In Brandenburg suchen derzeit rund 80 bis 100 Apotheken nach Apothekern. Dies sind statistisch fast 20 Prozent – Tendenz stark steigend. Bei den PTA (Pharmazeutisch-Technische-Assistentin) ist es ähnlich.
Ist „arbeiten in der Apotheke“ noch attraktiv?
Aber sicher! Apotheken können heute hochmoderne Einrichtungen sein, mit fachlich fitten Teams, in denen es sehr viel Spaß macht zu arbeiten. Wir legen bei uns sehr großen Wert darauf und leisten uns dafür beispielsweise einen eigenen Coach und eine Personalchefin.
Anderes Thema, Herr Sabelus. Momentan gibt es darüber hinaus viel Unruhe im regionalen Apothekenbereich. Eine Apotheke in Königs Wusterhausen soll in einen Rezeptbetrugsskandal verwickelt sein – was wissen Sie darüber?
Ja das stimmt leider. Die Untersuchungen dazu dauern noch an. Es handelt sich tatsächlich um eine Apothekerin, die sowohl im Stadtgebiet von Königs Wusterhausen wohnt – aber auch eine Apotheke im Stadtgebiet betreibt. Für uns ehrliche Apotheker hier in der Stadt war der Bericht des MDR ein Schock – da wir durch diese unkonkrete Angabe alle gleich in Generalverdacht fallen.
Was beunruhigt Sie daran so – sie müssen sich doch nicht „getroffen“ fühlen – nur wenn eine Kollegin von Ihnen derart handelt?
Doch – im Beitrag ist von einem „Apotheker-Ehepaar aus Königs Wusterhausen“ die Rede. Dies schließt viele ehrliche Apotheker in unserem Ort mit ein. Wissen Sie, wenn ein Patient mit einem Rezept zu uns in die Apotheke kommt, erfahren wir sehr viel von ihm – beispielsweise wie er heißt, wo er wohnt, wie alt er ist und zumindest indirekt auch woran er erkrankt ist. Dies ist auch nötig, um ihn optimal zu versorgen. Alles hat sehr viel mit Vertrauen zu tun. Dieses Vertrauen bringen uns täglich tausende Menschen in der Region entgegen. Betrug mit Rezepten zum persönlichen Vorteil untergräbt dieses Vertrauensverhältnis massiv.
Wie verlief dieser Betrug?
Wie der MDR berichtete, wurde offensichtlich von den mutmaßlichen Tätern Rezepte mit sehr teuren Medikamenten gefälscht und anschließend im Gebiet der ganzen Bundesrepublik in verschiedenen Apotheken eingelöst. Die erhaltenen Medikamente haben diese Personen dann wohl in der besagten, eigenen Apotheke hier in der Region wieder in Verkehr gebracht – entweder durch Verkauf an andere Apotheken oder gegen Rezept an Patienten. Dies wird wohl derzeit noch untersucht.
Wie hoch ist der Schaden?
Über die Höhe des Schadens kann derzeit nur spekuliert werden. Die Behörden gehen jedoch von einem sehr hohen Schaden schon deswegen aus, weil dieser Betrug wohl bereits seit sieben Jahren stattfindet. Es ist daher nicht auszuschließen, dass er in den Millionenbereich geht.
Wer wurde geschädigt?
Auf jeden Fall wohl die Krankenkassen (also wir alle) – und natürlich auch die betroffenen Apotheken, in denen diese Rezepte eingelöst wurden, denn diese bekommen gefälschte Rezepte natürlich nicht bezahlt. Zumindest moralisch geschädigt wurden auch die ehrlichen Mitarbeiterinnen dieser Apothekerin. Sie haben nach bestem Wissen und Gewissen ihre Arbeit gemacht und sehen sich jetzt massiven Verdächtigungen ausgesetzt – das tut mir sehr leid.
Warum wird „Ross und Reiter“ nicht benannt?
Es ist zwar schwer erträglich, jedoch laufen die Untersuchungen noch. Das Ehepaar und eine Komplizin sitzen in Untersuchungshaft. Das lässt folgern, dass die Beweislage wohl erdrückend ist. Mir – und sicherlich allen anderen ehrlichen Apothekern und deren Teams – wäre es sehr lieb, wenn möglichst bald alle Karten auf dem Tisch liegen.
Es fragte Vesa Elbe