Aus Gruppen wurde ein Team

Netzhoppers-Coach Mirko Culic bilanziert die beendete Saison und blickt voraus

Für die Netzhoppers SolWo Königspark KW war die Bundesligasaison am 23. März zu Ende. Mit einer 0:3-Niederlage, aber respektablem Spiel gegen die United Volleys Frankfurt hat sich der Volleyball-Bundesligist in die Sommerpause verabschiedet. Mit 21 Punkten beendeten die Dahmeländer die Hauptrunde auf dem neunten Platz. Coach Mirko Culic hatte jetzt Zeit für ein Gespräch mit Ulrich Rochow.

KaWe-Kurier: Zum zweiten Mal in Folge haben die Netzhoppers nicht den Sprung unter die besten acht Teams der Bundesliga geschafft und damit die Teilnahme an den Play-off-Spielen verpasst. Wie groß ist die Enttäuschung?

Mirko Culic: Sie ist schon da, aber sie hält sich in in Grenzen. Das Ziel war keineswegs zu hoch angesetzt und wir spielten auch besser als in der vergangenen Saison. Aber viele Mannschaften haben sich enorm verstärkt, die Liga ist in dieser Saison außergewöhnlich stark. Das wird auch daran deutlich, dass mit Rottenburg ein starker Traditionsverein in die 2. Liga absteigen muss. Unter dem Strich können wir bei unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten mit der spielerischen Leistung und unserem Auftreten insgesamt zufrieden sein. Hatten wir 2018 fünf Siege und lediglich 14 Punkte auf der Habenseite, so sind es diesmal sieben Siege und 21 Punkte.

Aber die Playoffs hättet Ihr schon gern erreicht?

Ich sag mal so: Wir hätten uns aus sportlichem Ehrgeiz schon gerne mit einem Sieg gegen den Liga-Fünften United Volleys Frankfurt/Main verabschiedet. Auch wenn wir den achten Platz nicht mehr erreichen konnten. Wir waren im letzten Spiel mit Frankfurt auf Augenhöhe, nur eben am Ende mal wieder nicht clever genug. Die beiden letzten Sätze, auch wenn sie verloren gingen, waren gut. Hätten meine Jungs so agiert wie im 1. Satz, dann wäre ich ärgerlich gewesen. Aber zu den Playoffs muss man realistisch sagen, dass wir als Achter gegen den Ersten Friedrichshafen hätten antreten müssen. Die Häfler hatten uns ja gerade eine Woche zuvor mit einem eindeutigen 3:0 brutal „verprügelt“. Wir hätten eine lange, kräftezehrende Fahrt zum Bodensee gehabt, hohe Kosten und wenig Siegaussichten. Jetzt nutzen wir die gewonnene Zeit zu einer kurzen Regeneration, ehe es dann von Mitte April bis Mitte Mai hier bei uns mit Hallen- und Krafttraining und dann mit Beachvolleyball weitergeht.

Wo sehen Sie die Mannschaft nach dem Umbruch zu Saisonbeginn jetzt stehen?

Wir haben nach der letzten Saison fünf gute Spieler verloren. Unsere im Vorjahr sozusagen „runderneuerte“ Mannschaft mit sechs Neuzugängen hat viel Potenzial. Immerhin fiel Theo Timmermann, einer unserer Leistungsträger, zwei Monate verletzt aus. Das haben wir kompensiert. Zu Saisonbeginn musste sich die Mannschaft mit den neuen kanadischen Spielern und unseren neuen Leuten erst finden, eine gemeinsame Sprache finden und ein Spielverständnis entwickeln. Aber man hat letztlich gesehen, dass sie mit den Neuzugängen einen Sprung nach vorne gemacht hat. Und gewachsen ist. Am Anfang waren wir eine Gruppe oder zwei – am Ende ein Team und sind auch so aufgetreten. Bestes Beispiel das 3:0 gegen Bühl. Und dann das Rekordspiel gegen Giesen. In der zweiten Saisonhälfte waren wir wirklich heimstark. Von den fünf Rückrundenspielen vor eigenem Publikum gewannen wir vier, patzten lediglich mit 2:3 gegen den potenziellen Absteiger TV Rottenburg. Die beiden Niederlagen gegen den TV Rottenburg waren umso ärgerlicher, weil sie uns die Play-off-Teilnahme kosteten.

Der denkwürdige Volleyball-Krimi gegen die Helios Grizzlys Giesen ist in die Annalen der Volleyballbundesliga eingegangen: Ihr habt erst nach fast drei Stunden im Tiebreak mit 3:2 gewonnen.

Das war der helle Wahnsinn. So ein Marathon-Match gab es in der Bundesliga noch nie! 150 Minuten haben sich beide Mannschaften duelliert, normal ist im Schnitt die Hälfte. 133:136 Punkte wurden erspielt. Fünf-Satz-Spiele liegen in der Regel bei jeweils knapp über 100. Und dann als Krönung dieser Tiebreak, der normalerweise bei 15 Punkten endet. Die Entscheidung ging hin und her, erst nach dem 16. Matchball fiel die Entscheidung. Bei 30:28 Punkten! Unglaublich! Von diesem Duell werden meine Spieler noch ihren Enkeln erzählen. Giesen hat die Liga stärker gemacht und ich bin stolz auf meine Mannschaft, dass wir sie zweimal geschlagen haben. Gegen Friedrichshafen und Unterhaching haben die Giesener je einen Punkt geholt, Herrsching sogar geschlagen,

Wo sehen Sie die Ursachen dafür, dass für Euch die Saison doch eher als geplant beendet ist?

Unter anderem darin, dass immer dann, wenn wir als Favorit in ein Spiel gegangen sind, sich unsere junge Mannschaft zu sehr unter Druck gesetzt fühlte. Die Spieler wollten immer gleich mit 100 Prozent loslegen. Ich predige ihnen immer wieder – was aber im Spieleifer schnell weg ist – , ihr müsst Geduld beweisen, mit 90 Prozent beginnen, die Schwachpunkte beim Gegner finden und euch dann steigern. Dann klappt das, wie das Spiel gegen Bühl zeigte. Fakt ist aber, dass wir gegen die Kellerkinder zu viele Punkte haben liegen gelassen. Gegen den Elften Rottenburg sprang nur einer von sechs möglichen Punkten heraus. Auch gegen Schlusslicht VC Olympia wurde ein Punkt verschenkt.

Auch, weil zu viele Angaben „versemmelt“ wurden?

Nicht, weil die Jungs da Defizite haben. Wir trainieren viel Angaben, aber es ist ein Unterschied, ob ich im Training welche schlage oder in der Anspannung des Spiels. Das ist doch das Gleiche wie mit den Elfmetern im Fußball: Im Training gehen sie rein, im Spiel oft daneben oder in den Himmel. Zudem haben wir wie eben gegen Frankfurt am Ende oft nicht abgeklärt genug agiert.

Können Sie schon abschätzen, ob die Mannschaft für die kommende Saison weitgehend zusammengehalten werden kann?

Das hängt sicher auch davon ab, ob die Sponsoren bei der Stange bleiben, um auch 2019/20 eine schlagkräftige Truppe am Netz stehen zu haben. Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass mit Ex-Nationalspieler Dirk Westphal jetzt bereits ein sehr wichtiger, erfahrener Spieler für die Mannschaft um ein Jahr verlängert hat. Ich hoffe schon, dass wir mit der jetzigen Mannschaft noch weiterarbeiten können, uns unsere Leistungsträger und auch die Kanadier nicht abgeworben werden. Dann wollen wir nächste Saison wieder voll angreifen, um in die Playoffs zu kommen.

Die Zuschauergemeinde in der Landkost-Arena Bestensee ist mit rund 500 jedes Mal überschaubar.

Das stimmt schon. Unser Wunsch, mit noch mehr Fan­unterstützung im Rücken zu spielen, erfüllte sich nicht. Aber wir wollen nicht klagen: Die, die kommen, sind begeistert. Die Stimmung in der „Brandenburg-Hölle“ ist toll. Wir bieten großen Sport, Leidenschaft und spannende Unterhaltung.

Sie haben noch einen Vertrag bis 2020 und gehen in Ihre zwölfte Saison mit den Netzhoppers. Sie hätten als ehemaliger Meistertrainer auch ein anderes Team trainieren können…

Weshalb? Hier fühle ich mich wohl, kann meine kreative Phase ausleben, junge Spieler weiterentwickeln. Es ist nicht immer das große Geld, sondern das gesamte Umfeld muss stimmen. Und das tut es bei den Netzhoppers. Ich sage mal in Abwandlung eines Spruchs von John F. Kennedy: Ich bin ein Netzhopper!

UR / Fotos: Dagmar Jaschen