Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin. Wenn es um den begehrten Deutschen Fußball-Pokal geht, dann mag ja dieses Wegeziel – das Finale im Olympiastadion – zurecht gern und überschwänglich von zig Tausend Kehlen als Sehnsuchtsort für den einen, den besonderen Moment besungen sein. Aber dass mehr als 80000 Menschen mit Lust und Laune diesen „Schlachtruf“ schmettern, wenn sie sich tagtäglich aus dem Bett schälen und auf den Weg zur Arbeit machen, dass will man in den Rathäusern und Behörden der Region, in den Büros der Arbeitsmarktexperten oder Verkehrsplaner so nicht glauben. Mit einer Kampagne „Kürzer pendeln – länger leben“ wollen jedenfalls die Landkreise Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming unter Federführung der Stadt Ludwigsfelde darauf aufmerksam machen, dass aus der Sicht der Berufs- und Karriereplanung die besten Meriten längst nicht mehr in der Ferne, sondern direkt im Revier zu holen sind.
Von den derzeit in Dahme-Spreewald wohnenden gut 62000 sozialversichert Beschäftigten fahren über 30000 über die Kreisgrenzen hinaus zur Arbeit. Im Nachbarkreis sind es sogar um die 50000 Pendler. „Die Hauptrichtung ist ganz eindeutig Berlin“, sagt der Leiter der Agentur für Arbeit im Geschäftsstellenverbund Dahme-Spreewald Boris Müller. Was einmal ein notwendiges Übel gewesen sei – nämlich der Arbeit hinter her zu reisen –, mache heute aber im Prinzip keinen Sinn mehr. Im Flughafenumfeld haben sich viele neue Betriebe angesiedelt, weitere kommen regelmäßig hinzu. „Wir wollen der Bevölkerung vermitteln, dass die Situation sich sehr verändert hat im Gegensatz zu vor wenigen Jahren“, betont auch LDS-Verkehrsdezernentin Heike Zettwitz. „Damals mussten viele nach Berlin oder Potsdam pendeln. Heute gibt es starke Arbeitgeber und freie Arbeitsstellen direkt hier in der Region.“
Derzeit sind für LDS 2400 freie Stellen bei der Agentur für Arbeit gelistet. In Teltow-Fläming kommen noch einmal rund 2600 offene Stellen dazu. Und das sind längst noch nicht alle, weil viele Betriebe gar nicht mehr melden. Der Bedarf erstreckt sich über nahezu alle Branchen – seien es Ärzte und Arzthelfer, Lehrer und Erzieher, technische Berufe und IT-Spezialisten. Nicht die Arbeitssuchenden, sondern die Firmen aus dem Hotellerie- und Gaststättengewerbe, aus der Logistik und selbst der öffentliche Dienst stehen Schlange auf Ausbildungs- und Jobbörsen. Es sei ein Paradoxum, dass LDS mit der niedrigsten Arbeitslosenquote in Ostdeutschland ein sogenanntes negatives Pendlersaldo habe und der Strom der Arbeitskräfte hauptsächlich in die Hauptstadt und damit gerade dorthin fließe, wo eine der höchsten Arbeitslosenquoten verzeichnet werde, so Boris Müller. „Wir sehen in der Rückgewinnung der Pendler eine der entscheidenden Schraubstellen, um den Fach- und Arbeitskräftemangel der Branchen hier vor Ort zu lindern“, sagt der Agenturleiter.
Zum einen wird in beiden Landkreisen jetzt eine groß angelegte Plakatserie starten, um mit dem Verweis auf die Vorteile einer Arbeit vor der Haustür den einen oder anderen Arbeitnehmer zum Nach- und Umdenken anzuregen. PendlerInnen sollen sozusagen mit der Nase darauf gestoßen werden, wieviel Zeit sie mehr hätten, wieviel sie länger schlafen könnten oder wie sie bares Geld und Stress sparen würden, wenn sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kämen. Zum anderen sollen aber auch in der Beratung der Beschäftigten und der Unternehmen neue, direkte Wege der Arbeitskräftegewinnung, der Qualifizierung und der Mitarbeiterbindung in den Fokus rücken. „Letztendlich muss es uns und den Unternehmen auch gelingen, stärker in den Berliner Bewerbermarkt hinein zu kommen“, sagt Boris Müller. Schließlich macht es aus der Sicht eines LDS-Arbeitsmarktexperten Sinn, wenn bald gesungen wird: Berlin, Berlin, was wollen wir in Berlin? TM
Weitere Infos – auch zu Jobangeboten – finden sich auf der extra für die Kampagne eingerichteten Webseite www.kürzerpendeln-längerleben.de, die demnächst frei geschaltet wird.