Der Ukraine-Konflikt erreicht das KW-Parlament

Der Umgang mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine entzweit mehr und mehr die Gesellschaft. Ob die Bundesregierung nun zu wenig oder zu viel auf Waffen setzt, darin wechseln dabei munter die Allianzen in Bund und im Land, wie sich nun auch am Riss in der Stadtpolitik von Königs Wusterhausen zeigt. Montage: KaWe-Kurier

SVV-Mehrheit kritisiert „entfesselte Sanktionsmaßnahmen“ und „forcierte militärische Aufrüstung“ / SPD und Bündnis90 distanzieren sich klar

In einem offenen Brief rufen die Stadtverordneten von Königs Wusterhausen die Bundesregierung dazu auf, alles zu unterlassen, was den Krieg in der Ukraine verlängert und „alles dafür zu tun, dass die Waffen schweigen. Sowohl im Waffenkrieg als auch im Wirtschaftskrieg!“ Der Brief ist auf Mehrheits-Beschluss der Stadtverordnetenversammung vom 20. Oktober dieses Jahres von der Bürgermeisterin an die Bundesregierung geschickt worden und auf der Seite der Stadtverwaltung veröffentlicht.

Für den Brief, der von den Fraktionen von CDU, Die Linke, VB und UBL/ UFL als Beschlussvorlage eingebracht wurde, ­stimmten 17 Abgeordnete von CDU, Die Linke, VB, UBL/ UF sowie der AFD. Sechs anwesende Abgeordnete von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen stimmten dagegen, einer der VB-Fraktion enthielt sich.

Die Abgeordneten-Mehrheit begründet ihren Aufruf damit, „dass der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nahezu unmittelbar eine Eskalationsspirale auslöste, die sich immer schneller dreht und droht, zu einer umfassenden globalen Krise zu werden“. Völlig anders als bei allen sonstigen Konflikten gebe es seitens der Bundesregierung, so heißt es in dem Schreiben, ­keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie. Die Reaktion seien statt dessen „entfesselte Sank­tionsmaßnahmen“ und eine „forcierte militärische Aufrüstung“. „Wir wollen uns nicht anmaßen zu wissen, was die richtigen Mittel sind in dieser politischen Situation. Aber was wir mit Sicherheit wissen, ist die Tatsache, dass Deutschland nicht über die Bodenschätze, Rohstoffe und ­Energieauswahl verfügt, um unabhängig von anderen Ländern in der Welt seine Wirtschaft und den minimalen Wohlstand der Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Die Länder, von denen wir abhängig sind, haben in der Regel ihr eigenes konträres ‚Wertesystem‘, oft führen sie seit Jahren Kriege gegen ihr eigenes oder andere Völker. Wollen wir also künftig mit all diesen Ländern im Kriegszustand sein?!“

Die Folgen der Politik, die nur auf eine militärische Lösung dieses Konfliktes setzt, seien Tod und Zerstörung – vor allem für zigtausende Unbeteiligte und Unschuldige. Die Stadtverordneten sehen da nicht nur die Ukraine selbst, sondern auch den globalen Süden. Durch den „Sanktionsdschungel“ würden enorme Mengen an Dünger- und Getreideexporten aus Russland und Weißrussland faktisch blockiert. „Eine Ausweitung von Hungersnöten in vielen ohnehin schon gebeutelten Ländern ist die Folge. Ist das im Sinne einer ­‚wertegeleiteten‘ ­Politik?“, fragen sie die Bundesregierung. Zudem verweisen sie darauf, dass „die Folgen der gegen Russland gerichteten Sanktionspolitik ­mittlerweile auch spürbar auf uns zurück schlagen. Energie- und Nahrungsmittelpreise steigen mit zunehmender Rasanz. Die nun markig als ‚Doppel-Wumms‘ angekündigten Stabilisierungsmaßnahmen in Höhe von 200 Milliarden Euro lösen das grundsätzliche Problem nicht, es wird an den ­Symptomen herum­gedoktert.“

Die Meldungen über endgül­tige Betriebsschließungen und Insolvenzen würden sich häufen. „Ganze Branchen werden verschwinden und Deutschland verliert seine letzten Standortvorteile“, erklären mehrheitlich die Stadtratsmitglieder. Ihr Zukunftsbild ist düster: „Die Arbeitslosigkeit wird explodieren, gleichzeitig steigt die Zahl der Flüchtlinge, die Sozialsysteme sind jetzt schon völlig überlastet. Daraus folgende soziale und politische Unruhen sind zwangsläufig“, heißt es in ihrem Schreiben, das sie mit Worten Willy Brandts beenden: „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den ­Frieden nichts.“

Die Partei des zitierten ehemaligen Bundeskanzlers, die SPD, und Bündnis 90/Die Grünen distanzieren sich klar von den im Brief gewählten Formulierungen. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der SVV von Königs Wusterhausen halten sie für „nicht geeignet, um der aktuellen politischen ­Situation gerecht zu werden“.

Deshalb hatten beide Fraktionen auch einen eigenen Formulierungsvorschlag für eine Resolution als Kompromiss – siehe unten stehenden Abdruck – unterbreitet, der aber keine Mehrheit fand. Auch die Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern, alles zu unternehmen, „damit zum einen der Krieg in der Ukraine ein Ende findet, zum anderen der Staat die zusätzlichen Belastungen und Preissteigerung abfedert“. Sie sind sich darin einig, dass diplomatische Verhandlungen ein wichtiger Weg sind, um die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine zu beenden. „Das neue Entlastungspaket mit Energiepreisdeckel vom Bund und den geplanten 2-Millarden-Rettungsschirm vom Land Brandenburg sehen wir positiv. Wir fordern die schnellstmögliche Umsetzung“, betont die Frak­tionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Ines Kühnel. „Den brutalen Angriffskrieg Russlands verurteilen wir auf das Schärfste und stehen weiterhin solidarisch an der Seite der Ukraine. Wir wünschen uns Frieden für die Ukraine und fordern ernsthafte diplomatische Verhandlungen von allen Seiten. Jedoch sind die Prinzipien des Völkerrechts, der Menschenrechte und die territoriale Integrität der ­Ukraine für uns nicht ­verhandelbar.“

Ähnlich argumentiert der Frak­tionsvorsitzende der SPD Ludwig Scheetz. „Es ist richtig einzufordern, dass auf ein Ende des Krieges mit diplomatischen Mitteln hingewirkt werden muss“, sagt er. „Für uns ist aber auch klar, dass zu diplomatischen Verhandlungen die ernsthafte Bereitschaft aller Seiten gehört und als Grundlage für Verhandlungen die territoriale Integrität der Ukraine sichergestellt sein muss.“ Er kritisiert den beschlossenen offenen Brief scharf. Dieser sei mit Schuldzuweisungen und Unterstellungen gespickt. Der Brief suggeriere, „dass sich damit die Meinung aller Königs Wusterhausenerinnen und Königs Wusterhausener abbildet, dem ist nicht so, daher distanzieren wir uns klar davon.“

RED

Die Redaktion des KaWe-Kuriers bittet Sie, liebe Leser, um ihre Meinung. Wie kann die Bundesregierung am besten dazu beitragen, damit der Krieg in der Ukraine ein Ende ­findet?