Die Kultur in der ZWISCHENZEIT von Nach- und Noch-Corona

Operntage im Festsaal der Kavalierhäuser: In tiefster Corona-Zeit begründet, um Künstlern eine Auftrittsgelegenheit zu schaffen. Jetzt eine Konzertreihe, die auch das Publikum nicht mehr missen möchte. Foto: artist communication

Der KaWe-Kurier sprach mit Künstlern und Kulturveranstaltern 
über ihre Erfahrungen mit der derzeitigen Situation

Die Veranstaltungsru­briken und -kalender füllen sich so allmählich wieder, aus dem letzten Jahr verschobene Vorhaben und Projekte werden jetzt nachgeholt – siehe das Tiergartenfest von Königs Wusterhausen, dem wir uns in dieser Ausgabe auf Seite 3 widmen. Kulturveranstalter und Publikum atmen auf und besingen die neue Lust auf Muse, Unterhaltung und Geistesnahrung.

Oder ist alles nur ein Strohfeuer? Ist die vermeintliche Zeit nach der großen Krise noch eine größere Herausforderung, weil eben alles nur auf halber Flamme läuft, weil der Winter kommt und mit ihm die Sorgen des geschlossenen Raumes einen neuen Schub erhalten? Weil eben zum Leben zu wenig und zum Sterben noch immer ganz schön viel da ist? Eine Umfrage unter Kunstschaffenden und Kultureinrichtungen zeichnet hinsichtlich dieser Fragen ein durchaus differenziertes Bild.

Im Königs Wusterhausener Kulturkino „Capitol“ beschreiben die Betreiber Anne und Wolfgang Jurk die Stimmung seit Oktober als zuversichtlich. Vier Wochen zuvor blickten sie ob ausbleibender Zuschauer und wechselnden Besuchsregeln noch sorgenvoll in die Zukunft. „Aber mit den kühleren Temperaturen draußen ziehts die Leute eindeutig wieder mehr vor die große Leinwand“, sagt Wolfgang Jurk. Die zur Verfügung stehenden, reduzierten Plätze seien mittlerweile bei vielen Vorstellungen voll besetzt. „Damit kann man erstmal planen. Wir gehen jetzt generell mit der ­3G-Regel in die nächste Zeit. Uns ist es wichtig, niemanden auszuschließen und den Zuschauern höchstmögliche Klarheit und Sicherheit zu geben“, so Wolfgang Jurk. Inzwischen gab es auch das erste Bühnenprogramm als Modellversuch für die Abläufe unter Corona-Regeln. „Das wurde geradezu begeistert von Künstlern und Publikum aufgnommen. Mit der Kleinkunst wollen wir nun auch wieder stärker einsteigen“, betont der Kinobetreiber.

Als Künstler berichtet Singer-/Songwriter Eric Fish von gemischten Erfahrungen, die noch immer anhielten. Er hatte zwar während seiner Club-Tour durch ganz Deutschland zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten. Aber im Gespräch mit vielen Veranstaltern erfuhr er, dass der erwartete Zuschaueransturm nach dem Lockdown noch immer ausgeblieben sei. Nach fast zwei Jahren Corona hätten sich zahlreiche Menschen eben doch offensichtlich daran gewöhnt, dass es keine Kulturveranstaltungen mehr gäbe. Sie hätten sich noch immer in den eigenen vier Wänden eingerichtet und seien zum Teil träge geworden. Während dieser Zeit hatten sich viele immer wieder Karten für Veranstaltungen gekauft, die dann aber teilweise mehrmals verschoben oder gar ganz abgesagt wurden. Das habe für Enttäuschungen gesorgt und sicher dazu beigetragen, dass die Leute nun vorsichtiger geworden seien. Hinsichtlich der Förderprogramme auch für Veranstalter kritisiert er das Gießkannen-Prinzip und die bürokratischen Hürden, die viele generell davor abgeschreckt hätten, die Hilfen überhaupt zu beantragen.

Die seien gerade in dieser Phase für freischaffende Künstler noch immer nötig, betont Beate Mennicken, Chefin der Agentur artist communication in Zeesen. Mitten in der Corona-Zeit, im Juli 2020, hat sie mit ihren Mitarbeitern die öffentlichen „Opernkonzerte im Schloss“, im Festsaal der Kavalierhäuser, begründet, um Künstlern die Gelgenheit zu geben, sich hier vor Ort neue Arien und Rollen zu erarbeiten und auch vor Publikum aufzuführen. „Die Säle waren ja zu, und das was hier entstand, wurde sowohl von den Sängerinnen und Sängern als auch dem Publikum dankbar aufgenommen“, erzählt sie. Inzwischen sei die Reihe etabliert, für die kommende Vorstellung am 1. November sind bereits über 40 Anmeldungen eingegangen. Die Künstler treten zwar ohne Gage auf, hatten und haben aber die Möglichkeit, ihren Beruf weiter vor Publikum auszuüben. Die Agentur übernimmt alle Reise-, Organisations- und Übernachtungskosten dank der Unterstützung durch Sponsoren. „Auch wenn die Situation für 2022/23 wieder besser ist und wir für diese Zeit wieder sicher planen können, ist es jetzt für viele Künstler und Veranstalter weiter schwierig bis dramatisch, weil man eben nicht weiß, wie man über den Winter kommt“, schätzt Beate Mennicken die gegenwärtige Phase ein.

Beim Kulturbund LDS ist man stolz darauf, dass trotz der harten Krisenzeit das kulturelle Leben nie ganz zum Erliegen kam. Es wurden Online-Formate wie die virtuelle Reihe an Mitmachlesungen „Mein Leben für die Kunst“ entwickelt. Die Stadt KW übernahm für drei Monate die Fixkosten, Einnahmen gab es lange Zeit keine. Aber es wurde im Home-Office das Veranstaltungsjahr 2022 geplant. Es gelang, mit Künstlern und Förderern Veranstaltungen unkompliziert zu verschieben, so dass man im Juni 2021 wieder durchstarten konnte. „Ab da ging es stetig aufwärts. Die Angebote wurden vom kulturinteressierten und aufgeschlossenen Publikum sehr gut angenommen“ sagt Kulturbund-Vorsitzende Christiane Lücke. Erfreulich sei, dass sich dabei auch neue Veranstaltungsorte wie die Kreuzkirche KW sowie das ­Dorfgemeinschaftshaus und die Kirche Kablow aufgetan ­hätten. „Einen wirklichen Einbruch unserer Besucherzahlen haben wir nach den Lockdowns nicht erlebt“, so Christiane Lücke.

Eine besondere Rolle nahm über fast die gesamte Zeit die Evangelische Gemeinde Königs Wusterhausen mit ihren „Musikalischen Abendandachten“ ein. Anstatt der traditionellen Orgel- und Musiksommer-Veranstaltungen sorgte diese besondere Form des Gottesdienstes nicht nur bei Gemeindemitgliedern, sondern auch bei ­Musikliebhabern für Erbauung und Hoffnung. „Der Andrang war groß, wir mussten aufpassen, dass wir die vorgegebenen Plätze nicht überschreiten“, erzählt Organistin Christiane Scheetz. Sie freut sich, dass nun wieder die Zeit für ganz herkömmliche Orgel- und Weihnachtskonzerte gekommen ist (siehe auch Seite 4 dieser Ausgabe). „Unsere Erfahrung aus den Andachten zeigt uns, dass es einen ganz großen Bedarf an einem Miteinander von Künstlern und Gästen gibt“, meint Christiane Scheetz.

TM / VE