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Die Rolle meines Lebens

Die Berliner Schauspielerin Urte Blankenstein verkörpert seit über 50 Jahren die Figur Frau Puppendoktor Pille / Wiedersehen im Zeuthener Bürgerhaus

Als die Schauspielerin Urte Blankenstein noch zu DDR-Zeiten ihre ersten Westauftritte hatte, wurde sie auf einer Bühne im Schwarzwald als „Star des Kinderfernsehens“ angekündigt. Sie erschrak. Nein, nein, ich bin doch kein Star, dachte sie. Und das, obwohl sie doch neben Pittiplatsch, Herrn Fuchs und Meister Nadelöhr das wohl bekannteste Gesicht von Flimmerkiste und Abendgruß war.

Urte Blankenstein? Nie gehört und nie gesehen, sagen jetzt wahrscheinlich selbst erfahrene Fernsehhasen. Und ob. Mit den schwarzen Pippi-Langstrumph-Zöpfen und der großen klugen Brille kennen die heute fast 77jährige ganze Generationen von Kindern und auch deren Eltern. Urte Blankenstein ist DIE Frau Puppendoktor Pille, die zwei Jahrzehnte lang die warmherzige Ratgeberin und Trösterin im Abendgruß des DDR-Fernsehens war. Die Zeiten waren weiß Gott nicht so, dass man damals Funk oder Zeitungen gern seine Nöte anvertraute. Aber dem Angebot „…und hast du Kummer oder Sorgen, dann schreib gleich morgen an Frau Puppendoktor Pille mit der großen klugen Brille ….“ folgten ganze Heerscharen von Fernsehguckern mit Selbstverständlichkeit und Urvertrauen.

„Es war und es ist noch immer die Rolle meines Lebens“, sagt die in Berlin-Johannisthal wohnende Schauspielerin. Denn noch immer streift sie ihren weißen Kittel über, legt die Perücke an, setzt die runde Brille auf die Nase und geht mit Frosch Quaki auf die Bühne, um Kinder und Erwachsene zu unterhalten, mit ihnen zu singen und zu tanzen, sie nachdenklich zu stimmen und ihnen auch eine paar wohlmeinende Lebensweisheiten mit auf den Weg zu geben. Das macht sie nun schon über 50 Jahre. Seit 1968 ist Urte Blankenstein die gütige Frau Doktor, vor der niemand Angst haben muss. In ihrer Sprechstunde wurde und wird noch immer alles gut. Und sie ist wohl auch deshalb den erwachsen gewordenen Puppenmuttis und -vatis von einst so gut in Erinnerung, weil sie es auf kindgerechte Weise verstand, Tipps für eine gesunde Lebensweise, ja man kann schon sagen, für ein bewusstes und emphatisches Miteinander zu geben.

Die junge Absolventin der Ostberliner Schauspielschule hatte seit 1967 ein Engagement am Theater in Frankfurt/Oder, als sie sich für die freigewordene Rolle beim Fernsehen bewarb. Sie wurde schließlich nach Helga Labudda und Angela Brunner die dritte und langjährigste Darstellerin der „Pille“, wie sie ihre Figur selber liebevoll nennt. Sie füllte sie auch bis zu deren Fernseh-Ende im Jahr 1988 aus. „Es hat keiner je offiziell ausgesprochen – aber ich war den Verantwortlichen wohl zu alt geworden. Ja, der Jugendwahn machte auch vor dem DDR-Fernsehen nicht halt“, sagt die Künstlerin, die auch 30 Jahre später nicht den Eindruck erweckt, als könne sie keine überzeugende Schauspieldoktorin mehr sein.

Sie lamentierte nicht, sie machte einfach weiter, hatte sie doch schon von Anfang an ihre eigene Bühnenshow mit befreundeten Kollegen entwickelt, mit der sie landauf, landab durch den Osten und seit Anfang der 80er Jahre auch durch den Westteil des Landes zog. Seitdem war sie als Freiberuflerin unterwegs – so hat sie sich auch nach der Wende zu behaupten gewusst. „Wir waren im Prinzip die ersten, die mit Mitmach-Programmen die Kinder auf die Bühne geholt haben, die mit einer Mischung aus Gesang, Tanz und Clownerie, aber auch mit Momenten zum Innehalten und Nachdenken für eine aktionsreiche und zugleich hintergründige Unterhaltung standen“, sagt sie selbstbewusst. Belehrung, das sei ihr fremd, das funktioniere auf der Bühne sowieso nicht. Aber so, wie es ihr schon immer ein Bedürfnis war, auf bestimmte Briefe, die an Frau Puppendoktor gerichtet waren, zu antworten, so will sie auch heute noch zuhören und ihr Publikum zum Sprechen bringen.

Dabei schafft sie es nicht nur nach wie vor, die Kinder zu fesseln. Als besonders berührend empfindet sie auch die Begegnungen mit Senioren, für die sie spezielle Programme mit Liedern und Lebenserinnerungen zusammengestellt hat. „Es ist schön zu erleben, wie Menschen, die scheinbar schon verstummt sind, plötzlich wieder anfangen zu lächeln, zu singen oder sich sogar im Takt der Töne und Verse zu bewegen“, sagt Urte Blankenstein. So reicht sie als „Pille“ weiter für jung und alt ihre ganz spezielle Medizin, die sie auch selbst wach und kreativ hält. „Ich bin sehr froh, meinen Beruf noch immer so ausüben und diese Figur weiter gestalten zu können“, sagt sie. „Ja, es stimmt, die Puppendoktorin blieb neben Moderationen meine einzige Rolle. Aber das ist in Ordnung, wir sind immer mehr miteinander verwachsen.“ TM

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