Die Verpflichtung 
des Türmers

Die Stadt Königs Wusterhausen hat den Wasserturm Niederlehme erworben und bekennt sich damit zum Denkmalschutz in der Region

Die Stadtverwaltung von Königs Wusterhausen ist nun auch als Türmerin gefragt. Der Wasserturm von Niederlehme ist vor kurzem in ihren Besitz gewechselt. Der Schlüssel der orientalisch eingefassten Eingangstür des denkmalgeschützen Kalksandsteinbaus liegt nun im Rathaus. Nun gilt es, den rund 115 Jahre alten Turm tatsächlich auch in Besitz zu nehmen.

Viele Fragen sind dabei noch offen, aber immerhin bekennnen sich die Stadt und auch die Stadtverordneten dazu, ihn als ein Wahrzeichen nicht nur von Niederlehme, sondern des gesamten Ortes erhalten zu wollen. „Das freut uns sehr“, sagt die Vorsitzende des Heimatvereins des Ortsteils Marlies Kranich. „Die Stadt kommt ihrer Verantwortung für die kulturellen Belange nach und folgt damit auch unserer Auffassung, dass man die Kosten etwa für den Gehwegbau und für die Pflege des historischen Erbes nicht einfach in einen Topf schmeißen kann.“

Es war so etwas wie ein Wahlversprechen vor Amtsantritt des Bürgermeisters Swen Ennullat, sich für den Schutz des markanten Turmes einsetzen zu wollen. Erinnert er doch zum einen an die wirtschaftliche Entwicklung von Niederlehme, wo vor mehr als 100 Jahren der Kalksandsein für den Bau der boomenden Hauptstadt Berlin hergestellt wurde. Fabrikbesitzer Robert Guthmann ließ den Turm zwischen 1902 und 1904 nach dem Vorbild des Istanbuler Galataturms errichten, um damit zu zeigen, „dass die in Niederlehme geformten Kalksandsteine manche Belastung aushalten“. Der 27 Meter hohe Bau wurde zum weithin sichtbaren Zeichen eines aufstrebenden kleinen Ortes mitten im märkischen Sand. Das ist er bis heute geblieben – ist der weiße Exot direkt an der Autobahn doch so etwas wie ein Willkommensgruß für Einheimische und Vorbeirauschende.

Schon vor 13 Jahren machte der Niederlehmer Heimatverein mit seinem ersten Wasserturmfest darauf aufmerksam, dass die Bausubstanz so allmählich Schaden nimmt und Sanierungsbedarf besteht. Damals gab es erstmals für Besucher die Möglichkeit, den Turm zu besteigen und die Aussicht vom dritten Stock in rund 19 Meter Höhe zu genießen. Der Blick schweift von dort zum einen über die Dahmewiesen zu den „Türmen von Wildau“ und zum anderen zur Antenne auf dem Funkerberg.

Ob das je wieder möglich sein wird, steht noch in den Sternen. Es dauerte auch deshalb fast drei Jahre, bis die Stadt Eigentümerin wurde, weil die Nutzung des Turmes noch mit einigen Fragezeichen verbunden ist. Der private Vorbesitzer wollte ihn als Wohnung ausbauen. Dagegen legte aber der Landesbetrieb Straßenwesen sein Veto ein, weil etwaiges Licht im Turm eine Unfallgefahr für die Autos darstelle. Damit trat der Eigentümer mit einem Verkaufsangebot an die Stadt heran. Die stellte 70000 Euro in den Haushalt 2019 für den Erwerb des Turmes ein. Allerdings setzte nun eine Diskussion um die Folgekosten zum Erhalt und Betrieb des Niederlehmer Wasserturmes unter den Stadtverordneten ein, so dass es schließlich zu einem Sperrvermerk kam.

Daraufhin führte die Stadt weitere Verhandlungen mit dem Amt für Straßenwesen. „Eine Voraussetzung für den Erwerb des Wahrzeichens war das Ergebnis des gemeinsamen Besuchs beim Landesamt für Straßenwesen am 19. September 2019 zusammen mit Vertretern des Fachbereichs Hochbau und mir als Ortsvorsteherin“, berichtet Katharina Ennullat, die sich im Ortsvorstand von Niederlehme ebenfalls für den Erwerb des Wasserturmes stark gemacht hat. In den Gesprächen mit der Straßenbehörde wurde prinzipiell bejaht, dass die ersten Ebenen des Turmes nun doch genutzt werden könnten, da aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit ein Abweichen vom grundsätzlichen Bauverbot möglich sei. Dies überzeugte letztendlich auch die Mehrheit der Stadtverordneten, die in ihrer Sitzung am 21. Oktober 2019 die Sperre der Gelder für den Ankauf des Wasserturms aufhoben.

Die Stadt teilt mit, dass die Nutzung des Gebäudes nun mit den entsprechenden Behörden abgestimmt wird. Mittlerweile schätzt sie ein, dass ein „mittlerer bis starker Instandhaltungsrückstau“ besteht. Ob der Turm, so wie es die Niederlehmer im Ortsbeirat und im Heimatverein wollen, tatsächlich zu einem Begegnungort für Einwohner und Gäste oder gar einem Café wird, ist noch unklar. Auf alle Fälle möchte der Heimatverein die über 100jährige Geschichte des Gemäuers dort noch wesentlich ausführlicher dokumentieren, als er das derzeit schon mit seiner Informationstafel vor dem Zaun tut. „Wir könnten uns zum Beispiel auch eine Außenstelle des Standesames vorstellen“, sagt Marlies Kranich, die mit ihrem Mitstreiter Reiner Fischer gern bei kleinen Festen in die ­Kleider des Fabrikantenehepaares Robert und Marie Guthmann schlüpft. Warum also nicht dort eine symbolische Trauung vollziehen …? Ist es doch dem ehemaligen Vorsitzenden des Heimatvereins entscheidend mit zu verdanken, dass der Wasserturm seit Jahren wieder stärker in den Fokus rückte und nun wenigstens auf alle Fälle baulich für die Zukunft gesichert ist. Denn das ist die mindeste Verpflichtung, die der neue Türmer nun eingegangen ist. TM