„Durch die Tür muss man selber gehen“

Die Kontakt- und Beratungsstelle des Vereins Lebenswelten Königs Wusterhausen feiert 30jähriges Jubiläum / Diesjähriger Osterzopf-Erlös unterstützt Arbeit mit psychisch Erkrankten

„Ich bin wertvoll, weil ich wertvoll bin. Ich muss es nicht beweisen.“ Das ist die Maxime, mit der der Verein Lebenswelten Königs Wusterhausen e.V. in seine 26. Woche der Begegnung im Mai dieses Jahres geht. Es werden ganz besondere Tage, denn der Ort, zu dem Menschen mit und ohne psychische Beeinträchtigungen, Angehörige, Freunde, Wegbegleiter und Helfer eingeladen sind, sich in vielfältigster Form zu treffen, feiert sein 30jähriges Jubiläum: Die Kontakt- und Beratunsstelle des Vereins Am Amtsgarten 6 in Königs Wusterhausen.

Das ist auch der Stadt Königs Wusterhausen Anlaß, eine kleine Gabe auf den Geburtstagstisch zu legen. Sie hat entschieden, den diesjährigen Erlös des Osterzopf-Verkaufs während des Ostermarktes am Brunnen in der Bahnhofstraße am vergangenen Freitag der Vereinsarbeit zukommen zu lassen. „Das ist eine schöne Wertschätzung unserer Arbeit“, sagt die Leiterin der Beratungsstelle Yvonne Ziolek, die mit ihren Kolleginnen beim kleinen Osterfest dabei war und viele Fragen der Besucher beantwortete. Sie nutzten auch die Gelegenheit, zum Jubiläumsfest am 2. Mai ab 14.30 Uhr in die Räume und den Garten des Begegnungszentrums einzuladen. Mit dem Geld – es wurden insgesamt 389,80 Euro -, so kündigte die Leiterin an, werde man weitere Aktivitäten für die Besucher finanzieren. „Zum Beispiel sind wir immer froh, wenn wir auf unseren gemeinsamen Tagesausflügen den einen oder anderen Euro zuschießen können“, so Yvonne Ziolek. Wenn die Bauarbeiten für das neue Wohngebiet in direkter Nachbarschaft abgeschlossen sind, soll auch gemeinsam mit den Besuchern der Garten am Haus neu gestaltet werden. Im übrigen könnten der Verein und die Beratungsstelle auch deshalb nun schon über drei Jahrzehnte so erfolgreich und professionell arbeiten, weil sie immer auf die Unterstützung von Land, Kreis und Stadt bauen konnten.

Im Mai 1992 hatten Psychologen, Ärzte und Sozialarbeiter mit Unterstützung des Sozial- und Gesundheitsministeriums des Landes Brandenburg den psychosozialen Hilfsverein gegründet, genau ein Jahr später konnten sie erstmals eine Konakt- und Beratungsstelle eröffnen, in der sie ihr Credo für eine vorurteilsfreies Miteinander auch nach außen hin sichtbar machten. Zunächst befand sich dieses Begegnungszentrum in der Erich-Weinert-Straße. 2004 zog es an seinen heutigen Platz Am Amtsgarten 6. Das Gebäude wurde vom Verein selbst rekonstruiert und ausgebaut. Es ist mit seiner freundlichen Einrichtung für viele Menschen mit psychischen Erkrankungen eine Art zweite Wohnstube geworden, ein Ort der Zuwendung, des Zuhörens und des Zuspruchs.

Dafür sorgen zahlreiche Vereinsmitglieder wie zum Beispiel Frauen und Männer, die selber Psychatrieerfahrung haben, Angehörige, professionelle Ärzte, Therapeuten oder Sozialarbeiter sowie interessierte Menschen, die sich gern helfend und beratend einbringen. Darüber hinaus gehören Psychologen, Pädagogen und Heilpraktiker zum Team, das in allen Lebensfragen Unterstützung gibt, seien es die Bewältigung der Krankheit selbst, Probleme mit Ämtern oder in der Familie. So haben Jugendliche und Erwachsene mit psychischen Störungen eine Anlaufstelle, wo sie zum einen einen Schutzraum und Gesprächspartner finden, zu denen sie Vertrauen aufbauen können, zum anderen aber auch Geselligkeit und Motivation erfahren.

Die Angebote im Haus gehen weit über eine auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Beratung hinaus. Ob Tischtennis oder Yoga, ob Musikthearpie oder Gedächtnistraining, ob Handarbeiten oder kreatives Gestalten, ob Literatur oder Tanz, ob Gesprächskreise oder einfach nur Reden und Relaxen bei einer Tasse Kaffee oder Tee – der Wochenkalender des täglich von Montag bis Freitag geöffneten Treffpunkts ist auf die unterschiedlichsten Interessen und Voraussetzungen der Besucher eingestellt. Darüber hinaus fördern zahlreiche Ausflüge, Urlaubsreisen und Feste soziale Kontakte, Gemeinschaftssinn und Lebensfreude. Dabei öffnet der Verein seine Türen auch Menschen mit psychischen Problemen, die ausdrücklich keine ärztliche oder institutionelle Behandlung wünschen.

„Bei allem was wir tun und anbieten, geht es darum, den Menschen nicht auf seine Krankheit zu reduzieren und ihn dazu zu ermutigen, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen“, sagt Vereinsmitglied Ilona Szafranski. Sie hatte selber immer wieder mit psychischen Problemen zu tun. Der Kontakt zum Verein und die Besuche in der Beratungsstelle haben ihr nicht nur geholfen, den Alltag besser zu meistern. Sie spürte, dass sie mit ihren Erfahrungen auch anderen hilfesuchenden Menschen zur Seite stehen kann. Ihr Engagment im Verein hat ihr Kraft und Lebenssinn gegeben. So wurde sie von einer Besucherin des Begegnungszentrums zu einer Helferin, die heute im Vereinsvorstand mit aktiv ist, als Besuchersprecherin fungiert und sich um eine Angehörigengruppe kümmert. Parallel hat sie eine Ausbildung als Genesungsbegeleiterin gemacht und arbeitet heute zwei Tage pro Woche auf einer psychatrischen Akutstation. „Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu integrieren, die Hilfsangebote dafür sind da“, betont sie. „Aber ich sage auch immer – durch die Tür muss man selber gehen.“

Dafür steht sie im Treffpunkt Am Amtsgarten 6 weit offen. Davon kann man sich beispielsweise beim Jubiläumsfest am 2. Mai im Rahmen der nächsten Woche der Begegnung überzeugen. Ab 14.30 Uhr wird mit Tanz, Theater und Gesang, mit Speis und Trank, mit einem Kreativmarkt und einer Ausstellung zur Geschichte des Vereins ausgiebig gefeiert. Interessenten sind herzlich eingeladen, die Räumlichkeiten zu besichtigen und sich aus erster Hand ein Bild von der Vereinsarbeit zu machen, die auf so vielfältige Weise Eigenhilfe entwickelt, Vorurteile abbaut sowie Tolerenz und Akzeptanz im Miteinander fördert. TM