Ehrenamtliches Engagement in Deutschland, Berlin und Brandenburg
Für das Engagement und Vertrauen in Politik und Verwaltung ist nach der Studie über die Erhebung des freiwilligen Engagements (Freiwilligensurvey) in beiden Bundesländern kennzeichnend, dass die Art und Weise schlecht beurteilt werden, wie die Menschen im Land die Zugänglichkeit, Professionalität und Vertrauenswürdigkeit der staatlichen beziehungsweise öffentlichen Institutionen wahrnehmen, um zu freiwilligem Engagement ermutigt zu werden. Sowohl bei der Bewertung der Partizipationschancen als auch bezüglich des in die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker gesetzten Vertrauens liegen Berlin und Brandenburg auf den letzten Plätzen im bundesweiten Ranking. Der Erosion des Vertrauens von Bürgerinnen und Bürgern in ihre Verwaltung und in die Politik ist in der neuesten „Ehrenamtsstudie des Landes Brandenburg“ von April 2023 ein ganzer Abschnitt gewidmet (S. 90-94). Überdies leben 42 % der Bevölkerung in Ostdeutschland in Orten ohne engagementfördernde Einrichtungen wie Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros, Selbsthilfekontaktstellen, Bürgerstiftungen, Mehrgenerationenhäuser, Mütter-/Familienzentren, Soziokulturelle Zentren und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie Stabsstellen für Bürgerengagement in Städten, Gemeinden, Kreisen (2). Offensichtlich sind hier noch viele Anstrengungen für eine Verbesserung erforderlich.
Gründe für die Notwendigkeit der Verstärkung des sozialen Engagements
Soziales Engagement ist eine unablässige Bedingung in unserer Gesellschaft, weil die drängenden Probleme wie Klimawandel oder die sich aus der Überalterung ergebende Notwendigkeit der Stabilisierung der Sozialsysteme durch technokratische oder administrative Lösungen nicht bewältigt werden können. Überdies verstärkt der ökologische Druck in absehbarer Zukunft den demografischen Druck auf die jüngere Generation. Weniger Arbeitskräfte müssen nicht nur die Klima- und Energiewende bewerkstelligen, sondern auch eine wachsende Zahl von Rentnern betreuen und finanzieren. Dabei ist anzumerken, dass ein Teil dieser Arbeitskräfte in Folge der zu Ende gegangenen Corona-Pandemie in ihrer dafür zu erbringenden wirtschaftlichen Leistungskraft erheblich geschwächt wurde. Vor allem Frauen mit kleinen Kindern und Frauen mit Pflegeverantwortung für die Elterngeneration haben in Wahrnehmung ihrer Betreuungsverantwortung in Teilzeit arbeiten, Elternzeit verlängern, ihren Job wechseln oder akademische Karrieren abbrechen müssen, die sich als Nachteile in ihren Lebenseinkommen und Altersrenten zeigen werden (3). Sowohl die Jugend als auch die mittlere Generation benötigen daher dringender denn je die Unterstützung der „fitten Alten“. Diese werden aber auch in der eigenen Generation der Senioren gebraucht. In einer Stellungnahme des Deutschen Zentrums für Altersfragen vom März 2023 wird an die Bundesregierung appelliert, die Lebenssituation älterer Menschen, insbesondere Altersarmut und Einsamkeit, in den Blick zu nehmen. Aus den Daten des Deutschen Alterssurveys von 2017 wird deutlich, dass etwa 3,5 Millionen Menschen im Alter zwischen 45 und 84 Jahren tiefe Einsamkeit erlebten, ein Anteil von etwa 9 Prozent in dieser Altersgruppe (4). Viele der Betroffenen haben weder Kinder noch Enkelkinder. Um sie aus ihrer Einsamkeit zu holen, ist die Organisation von Begegnungen erforderlich, in denen diese Menschen zusammenkommen, miteinander sprechen und das Gefühl erleben, zur Gemeinschaft zu gehören, um ihre Lebensbindung nicht zu verlieren. Einer Gesellschaft, die keine Zeit füreinander aufbringt, fehlt der Kitt für den Zusammenhalt. Sie läuft Gefahr auseinanderzudriften. Über die Solidarität und das gesellschaftliche Miteinander müssen die Generationen sprechen und das erforderliche Maß gemeinsam aushandeln. Diese Diskussion wird nicht konfliktfrei verlaufen, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier und Veränderungsbereitschaft ist ein knappes Gut.
Dienstpflicht für Senioren – ein medialer Vorschlag und gesellschaftlicher Weckruf
Schon seit längerem beklagen staatliche und gesellschaftliche Organisationen die stagnierende Bereitschaft, sich an der freiwilligen, am Gemeinwohl orientierten, unbezahlten und selbstbestimmten Aktivität oder Arbeit zu beteiligen. Dabei ist im Alltagsbewusstsein die Wechselwirkung hinreichend bekannt, dass freiwilliges Engagement durch soziale Gerechtigkeit und Sicherheit ermöglicht und gefördert wird und diese wiederum ermöglicht und fördert. Da eine diesbezügliche Bereitschaft unzureichend ist, fordert beispielsweise der Schriftsteller, Philosoph, Publizist und Fernsehmoderator Richard David Precht zur Stärkung der Demokratie in seinem 2021 erschienenen „Buch von der Pflicht“ die Einführung von zwei Pflichtjahren für den Dienst an der Allgemeinheit. Eines nach dem Schulabschluss und eines beim Eintritt in die Rente. Unabhängig davon hat auch die überregionale Zeitung „Die Zeit“ in seinen Ausgaben vom 09.02. und 05.04.2023 eine Leserdiskussion darüber entfacht. Zur Begründung wird u. a. angeführt, dass sich die Mehrheitsverhältnisse zu Gunsten der Älteren verschieben würden. Sie seien heute die größte Gruppe, die die längste Friedens- und Wohlstandsphase habe erleben dürfen und den Nachfolgenden eine erschöpfte Welt hinterlassen hätten. Ihre Kaufkraft und Zeit würden es ihnen erlauben, in sozialer Geborgenheit und großer Freiheit zu leben und deren Vorzüge zu genießen. Nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung würden knapp 250.000 ihre Rente im Ausland beziehen. Im Jahr 2000 seien es noch 100.000 weniger gewesen. Wenn es ihre Gesundheit zulässt, seien sie in der Lage, den Nachfolgenden Bildung, Begabung und Geselligkeit zu bieten. Daraus würde Verantwortung erwachsen, für eine gerechtere Gesellschaft zu arbeiten und Vorbild zu sein. Die an der Diskussion im Alter von 62 bis 84 Jahren Beteiligten zeigten für den Vorschlag einer Dienstpflicht durchaus Verständnis. Einige hielten es jedoch für angebrachter, die Rahmenbedingungen für ein freiwilliges Engagement zu verbessern. Unabhängig vom Ausgang eines solchen Unterfangens zeigt die Diskussion die gesellschaftliche Relevanz, die dem Thema des Miteinanders der Generationen beigemessen wird.
Meine persönlichen Erfahrungen im Freiwilligen Ehrenamt
Als ehrenamtlicher Redakteur des Seniorenmagazins Treptow-Köpenick darf ich Ihnen, liebe Leser, mitteilen, dass ich durch diese Tätigkeit eine mir bisher verborgene Seite meines „Ichs“ kennengelernt habe. Als Jurist war mir das Schreiben nicht fremd, aber nunmehr in einer journalistischen Art und Weise über Ereignisse, Erlebnisse und Geschichten zu berichten, ist für mich eine neue Herausforderung. Sie erfordert Ideen, für die ich interessante Orte, Ausstellungen und Diskussionen besuche. Bei meinen Erkundungen treffe ich Menschen, deren Arbeit und Leben mich stark interessieren. Das tägliche Studium der Tagespresse habe ich dahingehend erweitert, als dass ich nunmehr auch überregionale wöchentlich erscheinende Presseerzeugnisse lese. Zudem verzichte ich auf zeitraubende Fernsehsendungen und vertiefe mich stattdessen in Bücher. Dadurch verdichte ich meinen Lebenstakt und strukturiere meinen Pensionärs-Alltag. Freude bereitet mir darüber hinaus auch die Teilnahme an den alle 14 Tage stattfindenden Redaktionssitzungen, in denen der Chefredakteur und die ehrenamtlichen Redakteure die nächste Ausgabe des Magazins vorbereiten. Die gemeinsamen Besprechungen in der Kaffeerunde finden in einer kollegialen und kreativen Atmosphäre statt. Zu „runden“ Geburtstagen wird gemütlich gefeiert und Persönliches ausgetauscht. Mit einigen Kolleginnen und Kollegen stehe ich darüber hinaus auch in einem persönlichen Kontakt. Für mich ist meine ehrenamtliche Tätigkeit ein Gewinn, den ich nicht missen möchte. Ich glaube, im Namen des ELRO-Verlages und aller Redaktionsmitglieder zu sprechen, wenn wir Sie zum Mitmachen in einem Ehrenamt animieren könnten.
Ulrich Dose
Quellen:
Ulrich Paul, „An der Schwelle“, Studie im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), Berliner Zeitung vom 18.04.2023, S. 8
Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt, Holger Krimmer, Stefan Bischoff, Thomas Gensicke, Birthe Tahmaz, Studie „Engagementförderung in Ostdeutschland – Kurzfassung“, 2022, S. 5
Ulrike von Leszczynski, „Weckruf an die Gesellschaft“, Berliner Zeitung vom 8. bis 10.04.2023, S. 50
Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA), „Einsamkeit differenziert betrachten – die Lebenssituation älterer Menschen in den Blick nehmen“, März 2023,
www.dza.de