Ein Elch grüßt aus dem märkischen Wald

Noch sind wilde ­Elche – hier ein Tier aus ­einem privaten ­Gehege bei ­Oranienburg – in Brandeburg nicht sesshaft. Aber sie wandern vermehrt durchs Land. Foto: TM

Brandenburger Forscher konnten erstmals einen frei laufenden Großhirsch
mit einem Sender ausstatten / Das Tier hält Kurs auf Dahme und Spree

Dem Landkreis Dahme-Spreewald könnte schon sehr bald besonderer Besuch bevor stehen. Oder er ist sogar schon da. So genau lässt sich das nicht sagen. Man weiß halt nicht, auf welchen Wegen ein Elch in unseren Gefielden so wandelt. Jedenfalls ist ein Exemplar des Königstiers der europäischen Wälder in Teltow-Fläming ostwärts unterwegs. Das ist sicher. Denn der junge Riesen-Hirsch hat einen Bewegungsender. Und die Daten, die seit rund 14 Tagen bei Wildbiologen in der Fachhochschule  für nachhaltige Entwicklung Eberswalde auflaufen, verraten: Das Tier ist von Schlalach in Potsdam-Mittelmark in einen Wald nördlich von Luckenwalde in Teltow-Fläming gezogen.

Erstmals ist es Ende Februar dieses Jahres gelungen, einen frei durch Brandenburg streifenden Elch mit einem GPS-Halsband auszustatten. Das männliche Jungtier hatte bei Schlalach die Gesellschaft einer Kuhherde gesucht. Da nicht sicher war, wie sich  diese ungewöhnliche Konstellation entwickelt, wurde der Überraschungsgast von einem auf Wildtiere spezialisierten Tierarzt narkotisiert. Damit ergab sich für die Brandenburger Landesbehörden und die von ihnen beauftragten Wissenschaftler die Gelegenheit, den Bullen mit einem Bewegungssignal auszustatten. „Wir erhoffen uns davon tiefere Erkenntnisse über das Verhalten der Tiere in unserer Region“, sagt Torsten Fritz von der Unteren Jagdbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark. „Es ist wirklich spannend.“

Ein beeindruckendes Video eines Autofahrers, das im Internet kursiert, zeigt, wie das stattliche Tier am Nuthegraben an der Grenze zwischen Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming in stoischer Ruhe ein Strasse überquert. Das gelbe Senderband ist sehr gut zu erkennen. Außerdem sind auch die Ohrmarken zu sehen, die ebenfalls von den Eberswalder Forschern angelegt wurden. Es handelt sich nach Meinung der Experten offenbar um das gleiche Tier, das bereits vor der Besenderung bei Jüterbog (Kreis Teltow-Fläming), Klein-Marzehns (Kreis Potsdam-Mittelmark) und bei Coswig (Sachsen-Anhalt) gesichtet wurde. Dort, auf der anhaltinischen Seite des Fläming, tappte der Wanderer auch in eine im Wald aufgestellte Fotofalle. „Wir schätzen den Bullen auf ungefähr 300 Kilo“, so Torsten Fritz. „Er befindet sich im dritten Lebensjahr. Er hat das Geweih bereis abgestoßen. Es wird jetzt im Frühjahr wie bei Hirschen üblich wieder nachwachsen.“

Elche gelten in Deutschland eigentlich als ausgestorben. Aber die Beobachtungen der Tiere mehren sich – vor allem in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Das deutet darauf hin, dass sie aus Polen kommen.  Für das Nachbarland wird der Bestand an Wildtieren auf 20000 Stück geschätzt, Tendenz steigend. Damit wächst auch der Einwanderungsdruck auf Brandenburg. Für die Mark führt  Dr. Kornelia Dobias vom Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde genau Buch. Die Biologin dokumentiert seit 2013 im Auftrag der Landesregierung die Spuren, die die Riesen der Wälder auf Brandenburger Gebiet hinterlassen.  Für das letzte Jahr hat sie 17 Elch-Meldungen gelistet. In den Jahren zuvor bewegten sich die Zahlen zwischen zwei und neun Entdeckungen. Im  Computer von Kornelia Dobias sind Fotos und Filmschnipselchen von Förstern, Waldarbeitern, Jägern und Spaziergängern aus den verschiedensten Ecken des Landes archiviert. ­Auf ihrem Schreibtisch liegt zudem eine Karte vom Oktober letzten Jahres, die die Häufigkeit der Meldungen für die einzelnen Regionen zwischen Spree-Neiße und Uckermark abbildet. Der Landkreis Dahme-Spreewald gehört zu den am meisten „besuchten“ Regionen.  „Noch gibt es aber keinen Hinweis auf ein hier geborenes Kalb“, sagt die Elch-Statistikerin. Das wäre ein Indiz dafür, dass sich eine eigene Population entwickelt. „Wir gehen davon aus, dass dies bislang nicht so ist“, so Kornelia Dobias. Da es sich bei den hierzulande gesichteten Elchen aber meistens – wie auch im aktuellen Fall – um männliche Jungtiere handelt, läge die Vermutung nahe, dass sie sich neuen Lebensraum erschließen wollen. „Für gesicherte Aussagen ist die Datenlage insgesamt noch sehr dünn, deswegen ist dieser funkende Elch natürlich ein Glücksfall“, sagt die Eberswalder Fachfrau. „Vielleicht haben wir ja bald die nächsten Fotos von ihm, wenn er zum Beispiel über die Grünbrücke an der A13 bei Teupitz läuft. Dort steht eine Bewegungskamera.“

Generell werde das Land eine Ansiedlung der Elche nicht fördern, wolle und könne sie aber auch nicht verhindern, so Dr. Kornelia Dobias. „Die Tiere unterliegen zwar dem Jagdrecht, haben aber eine ganzjährige Schonzeit, weil sie unter den Schutz der wiederkehrenden Arten und damit den Erhalt der Artenvielfalt fallen.“ Ob Elche den märkischen Wald überhaupt als geeignetes Aufzuchtsgebiet annehmen, sei ziemlich fraglich. Sie hätten einen sehr großen natürlichen Bewegungsradius, den sie in der von Straßen, Schienen und Ortschaften zerschnittenen Region kaum fänden.

Trotzdem will Brandenburg für einen etwaigen weiteren Anstieg der „vorbeischauenden“ oder sich schließlich doch etablierenden Großhirsche gewappnet sein. Immerhin frisst so ein Koloss bis zu 50 Kilo Frischfutter pro Tag. Und auch für die Verkehrssicherheit sind die Tiere nicht unproblematisch. Interessenkonflikte sind also durchaus denkbar. Für dieses Jahr ist eine Aktualisierung des 2013 erstmals aufgelegten Brandenburger Elch-Managementplans vorgesehen. Er ist ein auf das Land zugeschnittenes Regelwerk für Waldbesitzer, Landwirte, Förster, Jäger, Naturschützer und die breite Öffentlichkeit beim Umgang mit dem Heimkehrer. Immerhin war Deutschland bis ins 20. Jahrhundert hinein Elchland, so wie Skandinavien und Osteuropa es bis heute sind. Der Elch mit der gelben Schleife schreibt  dank seiner fleißigen Grüße, die er nun alle 16 Stunden in Form von Datenpaketen direkt aus den märkischen Wäldern an die Forscher und Behörden des Landes schickt, kräftig mit an diesen neuen Leitfaden.

TM 

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