Das Kunstarchiv Beeskow – Bewahrer von Schätzen einer vergangenen Ära
Kunstarchiv Beeskow
Das Kunstarchiv Beeskow ist ein Aufbewahrungsort von rund 18.500 Werken der bildenden und angewandten Kunst sowie des Laienschaffens aus dem ehemaligen Besitz der Parteien und Massenorganisationen der DDR. Es gehört zusammen mit dem Dokumentationszentrum für Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt zum Museum „Utopie und Alltag – Alltagskultur und Kunst aus der DDR“. Seit der Wiedervereinigung gehören die Gemälde, Papierarbeiten, Bronzebüsten und Wandteppiche den neuen Bundesländern und Berlin. Im Beeskower Kunstdepot werden die Anteile der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bewahrt. Thüringen und Sachsen zeigen ihre Bestände auf der Festung Königstein, und Sachsen-Anhalt betreibt ein entsprechendes Depot beim Landesverwaltungsamt in Halle. Es ist dem Engagement und der vorausschauenden Weisheit des ehemaligen Kulturministers der letzten DDR-Regierung, Herbert Schirmer, zu verdanken, das Kunstarchiv nach Beeskow geholt zu haben. Ihm dürfte schon damals bewusst gewesen sein, dass das Interesse des Westens am flüchtig geliebten Osten irgendwann wiederkehren wird, weil der Respekt für die Kultur und die sich darin widerspiegelnden Lebensleistungen der Menschen in der DDR eine unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenwachsen und die Einheit des deutschen Volkes ist.
Geschichte der Gründung des Sammlungs- und Dokumentationszentrums Kunst der DDR
In den letzten Tagen der DDR gründeten am 24. September 1990 ihr Kulturminister Herbert Schirmer und der Direktor des dem Kulturministerium nachgeordneten Kulturfonds der DDR, Wolfgang Patig, die Stiftung Kulturfonds mit dem Ziel, nach dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 weiterhin über die vom Kulturfonds finanzierten Kunstwerke verfügen zu können. Die betreffenden Gemälde, Plastiken und Grafiken waren in musealen Sammlungen und Gebäuden von bereits aufgelösten bzw. noch abzuwickelnden DDR-Institutionen (Parteien, Massenorganisationen, Schulungs- und Erholungsheime) über die gesamte Republik verstreut. Einen Teil der noch vor Ort befindlichen Kunstgegenstände ließ Schirmer einsammeln und im Keller seines Kulturministeriums in Berlin-Mitte aufbewahren. Mit seiner Berufung als Burgdirektor der Burg Beeskow 1991 veranlasste er den Umbau der neben der Burg befindlichen ehemaligen Turnhalle zu einem Kulturzentrum. Teile der Kunstgegenstände aus dem Keller des ehemaligen Kulturministeriums der DDR ließ er zwischenzeitlich auf dem Dachboden der Burg unterstellen. Unabhängig von den Aktivitäten des Burgdirektors Schirmer beanspruchte die Abteilung Sondervermögen der Treuhandanstalt zu Beginn der 1990er Jahre die im öffentlichen Auftrag entstandenen Kunstwerke in den Dienstgebäuden, Schulungs- und Ferienheimen des FDGB, der FDJ, der DSF, des Kulturbundes, der SED und der Blockparteien als im Rahmen der Rechtsnachfolge übergegangenes Eigentum der Bundesrepublik Deutschland und stellte die kunsthandwerklichen und künstlerischen Objekte unter treuhänderischer Verwaltung. Nach jahrelangen umfangreichen Verhandlungen zwischen der Treuhandanstalt und den neuen Bundesländern wurde 1994 letztlich entschieden, dass die Kunstwerke der Parteien und Massenorganisationen der DDR in das Eigentum der neuen Bundesländer und Berlin übergehen und nach dem Fundortprinzip untereinander aufgeteilt werden. Die Länder Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wählten 1995 für die gemeinsame Ausstellung ihrer Kunstgegenstände wegen der geeigneten Räumlichkeiten und der engagierten Pflege des Museumsleiters, Herbert Schirmer, den Standort Beeskow aus. Das Kunstarchiv wird in Trägerschaft der Interessengemeinschaft „neue bildende kunst e. V.“ betrieben. (1)
Wachsendes Interesse am Kunstarchiv Beeskow
Über einen Zeitraum von 25 Jahren nach der Deutschen Einheit blieb die gesammelte DDR-Kunst unbeachtet. Aufgrund der rivalisierenden Gesellschaftssysteme und den sich daraus ergebenden ideologischen Beschränkungen war die westdeutsche und die jüngere ostdeutsche Bevölkerung vom Alltagsleben und der Erfahrungswelt in der DDR und dem dortigen künstlerischen Leben ausgeschlossen. Deshalb bedurfte es einer längeren Kennenlern- und Auseinandersetzungsphase. Die fortschreitende geistige Überwindung der 40-jährigen gesellschaftlichen Teilung von Ost und West, in deren Rahmen die früheren Vorbehalte und die Schieflage der Wahrnehmung des Wissens über die DDR allmählich schwinden, lässt in jüngster Zeit die Besucherzahlen im Kunstarchiv ansteigen. Dabei hat sich die Erkenntnis bei den Besuchern durchgesetzt, dass die DDR-Kunst nicht auf einer Insel fernab der Welt entstanden ist. Die Besucher erfahren, dass die Motive dieser Kunst ihre Wurzeln im Spannungsverhältnis zwischen der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zweier Weltsysteme, dem Herrschaftssystem der SED mit seinen einengenden ideologischen Vorgaben und propagandistischen Selbstverherrlichungsphrasen und dem Ringen der einzelnen Künstler nach einer Ausdrucksweise haben, die den Menschen auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und dem moralisch richtigen Handeln zeigt. Insoweit erhalten sie im Kunstarchiv einen facettenreichen Einblick in das Kultur- und Kunstsystem der DDR. Zwischenzeitlich ist ein Anwachsen des Interesses nicht nur in Deutschland zu verzeichnen. Das Kunstarchiv erreichen nunmehr auch Anfragen aus Europa, insbesondere von universitären Einrichtungen und Kunstakademien. Der Grund für das wachsende Interesse an der DDR-Kunst wird sicher auch darin liegen, dass der Kapitalismus nach dem Untergang des Sozialismus in einer Identitätskrise steckt und gesellschaftliche Probleme immer offensichtlicher werden. Zu ihrer Lösung sind neue Einsichten in das Wesen der Welt erforderlich. Die ehemalige Chefredakteurin und Herausgeberin der überregionalen Wochenzeitschrift „Die Zeit“, Frau Dr. Marion Gräfin Dönhoff, warf bereits 1999 die Frage auf, „…ob nun als nächster absurder Einfall der Geschichte vielleicht der Kapitalismus zugrunde geht und von einem geläuterten Sozialismus gerettet wird. Das ist gar nicht so unvorstellbar, wie es klingt. Gewiss, als wirtschaftliches System ist der Sozialismus im Wettstreit mit der Marktwirtschaft gescheitert. Aber als Utopie, als Summe uralter Menschheitsideale: soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Freiheit für die Unterdrückten, Hilfe für die Schwachen, ist er unvergänglich“. (2) Im Kunstdepot sind die Utopie und der Alltag der untergegangenen DDR zu betrachten. Die Kunstwerke entstanden fernab von den Zwängen des kapitalistischen Marktes, von Kommerzialisierung, manipulierender Werbung und Besitzindividualismus. In ihrer innovativen und ästhetischen Bildsprache widerspiegeln sich Werte, Einsichten, Weisheiten, historisches Wissen und Erfahrungen, die Hoffnung auf eine gerechtere menschliche Welt spenden. Aus diesen einzigartigen Zeitdokumenten sind politische und gesellschaftliche Normen und Perspektiven ablesbar, die durchaus geeignet sind, stärker in vergleichende, internationale und zeitgenössische Zusammenhänge eingeordnet und in die gegenwartsbezogene Diskussion gestellt zu werden. Das Depot ist im Rahmen von Führungen und Veranstaltungen zugänglich. Das Fotografieren von Kunstgegenständen ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
Text und Fotos von Ulrich Dose
Quellen:
aus: Angelika Weißbach, „Warum Beeskow? Die Gründung des Sammlungs- und Dokumentationszentrum Kunst der DDR“, Katalog anlässlich der Ausstellung „Zeitumstellung – Werke aus dem Kunstarchiv Beeskow“, Schloss Biesdorf, 2021, Seiten 15–20
Marion Gräfin Dönhoff, „Zivilisiert den Kapitalismus – Grenzen der Freiheit“, Knaur-Verlag, 1999, S. 19