Zur Herbstzeit vor 22 Jahren machte bei uns im deutschen Osten ein Wort die Runde: Betonkopf. Gemeint waren die herrschenden politischen Greise an der Staatsspitze, die mit ihren Alt-Ansichten die Zeichen der Zeit nicht verstanden und sich gegen jedwede Veränderung in Staat und Gesellschaft sperrten. Bejubelt von den Gefolgschafts-Jüngern in SED und FDJ. Entsetzen beim Volk. Das rebellierte schließlich.
Letzte Woche war der Papst zu Besuch in seinem deutschen Heimatlande. Bei den Gottesdiensten jubelten die katholischen Gläubigen, waren geradezu beseelt von ihrem Oberhirten. Entsetzen bei den Kritikern. Denn der 84-jährige Pontifex vermittelte trotz aller Kritik an seinen Sichtweisen zu brennenden Fragen der Zeit wie der katholischen Sexualmoral, den Missbrauchsfällen, der Annäherung an die evangelische Kirche betonfeste Alt-Ansichten. Heil und Zukunft verspricht er sich nur in einer geeinten katholischen Kirche, die politische und moralische Bedeutung seines Wirkens ist für ihn nachgeordnet – er begreift sich als Oberhirte in einer Welt, die seiner Sicht zufolge nur als katholische eine gute ist. Der alte Mann und das Mehr: Ein Mehr an Dogmen wie „Seid gläubig! Seid gehorsam!“ Ùnd zwar allein ihm. Mahnungen und Befehle. Die das, was dieser Papst einst geschrieben hatte, nämlich dass Gott Liebe sei, als Absurdum erscheinen lassen. Der Papst hat die Zeichen der Zeit – so wie sie Matthäus beschreibt – nicht verstanden. Statt die katholische Kirche mutig zu öffnen, ist er betonköpfig. Er spricht sich gegen Reformen aus, fordert allein Treue zu Rom und mehr Distanz zur Gesellschaft, schlägt die gereichte ökumenische Hand der evangelischen Kirche brüsk aus. Damit verstellt er vielen Gläubigern den Weg zu Geist und Kirche. Das aber begreift Benedikt XVI. nicht. Um so mehr viele junge Gläubige. Selbst die zur Gebetsnacht in Freiburg angereisten stark gläubigen Jugendlichen machten kein Hehl daraus, dass sie so vieles nicht nachvollziehen können. Oder wollen. Sie wollen vor allem selbst denken und entscheiden dürfen: Rom und der Vatikan? Weit weg! Jubelfähnchen waren damals bei den Betonkopfsozialisten verteilt worden. Klatschstangen sollten bei der Gebetsnacht für Stimmung sorgen. Rote und grüne, mit denen sich prächtig Meinungsumfragen durchführen ließen. Rote Stange hoch hieß „Nein“ zur Bevormundung. Die grüne Stange „ja“. Per Lautsprecher kam die Ansage „Alle Entscheidungen für die Kirche sollen vor Ort zentral in Rom getroffen werden.“ Es gingen fast nur rote „Nein“-Klatschstangen in die Luft. Eine Klatsche für den Papst. Oder gegen ihn.
Was wollte er eigentlich im Bundestag in Berlin? Der FDP als siechender Partei vielleicht die letzte Ölung erteilen? Dann hätte der Papstbesuch außer immensen Kosten und betonsturen Alt-Ansichten doch noch was gebracht.
Und überhaupt.
Mark Brandenburger