Eine Region 
in Fluglärm-Geiselhaft

Die Abflug-Gates am BER sind mittlerweile gut besetzt mit Airlines aus aller Welt, von denen sich die meisten auch an die festgelegten Flugrouten halten. Allerdings scherte mit easyjet gerade einer der Hauptnutzer des Flughafens in jüngster Vergangenheit aus und hielt sich bei Starts von der Südbahn nicht mehr an die Hoffmann-Kurve. Foto: FBB / Zershchikova

EasyJet fliegt ab Oktober zwar wieder die Hoffmann-Kurve, aber Landes- und Kommunalpolitiker fordern eine verbindliche Einhaltung der Regeln

Es dröhnt am Himmel und es rumort am Boden. Kaum hat der Flugverkehr am BER nach der Corona-Flaute wieder etwas angezogen, schon sorgt das Thema Fluglärm für Ärger in der Bevölkerung sowie in den Parlamenten und Verwaltungen der Region. EasyJet fliegt aus technischen Gründen, wie die Fluggesellschaft mitteilt und was der Laie kaum versteht, nicht mehr die sogenannte Hoffman-Kurve. Diese soll insbesondere die Gemeinden Schulzendorf, Eichwalde und Zeuthen, aber auch Königs Wusterhausen bei Starts von der Südbahn vor Fluglärm schützen.

Nach zahlreichen Bürgerversammlungen, Info- und Protestveranstaltungen in den Kommmunen vor Ort erreichten Unmut und Unverständnis in der vergangenen Woche auch die Gremien der Landespolitik. Im Infrastrukturausschuss des Landtages stand die Nichteinhaltung der Flugrouten am BER auf der Tagesordnung. Vertreter der Fluglärmkommission, der Flugsicherung und des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung waren Gesprächsgäste der Abgeordneten. Die Fluggessellschaft Easyjet folgte der Einladung wie schon bei voran gegangenen Gesprächsrunden nicht. Sie nahm laut Auskunft der SPD-Abgeordneten Tina Fischer nur schriftlich Stellung.

Immerhin aber wurde versichert, dass die Airline ab Oktober wieder die Hoffmann-Kurve fliegen wird. Das sei gut, so Tina Fischer. Und trotzdem zeigt sie sich mit ihrem SPD-Kollegen Ludwig Scheetz äußerst ungehalten. „Laut Aussagen der Fluglärmkommission war wohl das Problem von easyJet der Flugsicherung seit Januar bekannt“, sagt die Zeuthener Landtagsabgeordnete. „Statt gemeinsam eine Lösung zu finden, wurde eine ganze Region mit tausenden von Menschen in Geiselhaft genommen. Das ist ein Unding!“ Und Ludwig Scheetz aus Königs Wusterhausen ergänzt, dass die Hoffmann-Kurve für viele Menschen ein Kompromiss sei, den die Fluglärmkommission für eine ganze Region mühsam ausgehandelt habe. „Wenn dieser jetzt durch das ständige Abweichen von der Flugroute ausgehöhlt wird, werden die Belastungen auf die Anwohner steigen und das Vertrauen in solche Vereinbarungen sinken. Das werden wir nicht hinnehmen.“

Sorge macht den beiden Abgeordneten auch, dass das Bundesaufsichtsamt nach eigenen Aussagen solche Abweichungen nicht bestrafen kann. „Das Problem ist nicht aus der Welt“, fürchten sie. Das Aufsichtsamt scheine ein zahnloser Tiger zu sein. „Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf auf Bundesebene. Die entsprechenden Sanktionsvorschriften müssen angepasst werden. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Flughafen noch längst nicht die volle Auslastung hat.“

Ähnlich sieht es auch Bündnis 90/ Die Grünen im Brandenburger Landtag. „Unsere Fraktion wird keine Ruhe geben, bis es endlich Ruhe für Anwohnerinnen und Anwohner gibt!“, betont der verkehrspolitische Sprecher Clemens Rostock. Die Bündnisgrünen haben drei konkrete Forderungen für die Zukunft gestellt: Die Starts müssen möglichst weit westlich auf der ­südlichen Startbahn beginnen, um in die Hoffmannkurve einbiegen zu können. Easyjet dürfe das Ausweichen auf die Notvariante nicht einfach genehmigt werden, während die anderen Airlines die Hoffmannkurve anfliegen. Und drittens müsse ernsthaft geprüft werden, ob Starts, bei denen die Nutzung der Hoffmannkurve ausscheidet, nicht von der nördlichen Startbahn erfolgen können. „Das verursacht zwar Mehrkosten, sollte aber gegen die gesundheitlichen Kosten für die Gesellschaft abgewogen werden“, so Clemens Rostock.

Zur Erinnerung: Die Hoffmann-Kurve wurde als bevorzugtes, lärmminderndes Abflugverfahren eingeführt. Sie ist in den amtlichen Veröffentlichungen korrekt beschrieben, im Vorfeld mit Lufthansa im Simulator getestet und vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) festgelegt. Seit Inbetriebnahme der Südpiste im November 2020 wurde die Hoffmann-Kurve sehr oft und von allen Airlines genutzt – das galt bis zum diesjährigen Sommer auch für Easyjet. Die Airline hatte dann aber mitgeteilt, dass sie die Hoffmann-Kurve vorerst nicht mehr fliegen wird. Dies liege an den jeweiligen Bordcomputern (Flight Management System = FMS), die die Beschreibung der genannten Route unterschiedlich interpretieren bzw. im System übersetzen würden.

Der gesamte Vorgang hat für Alarmstimmung in den Anliegerorten gesorgt.Die Gemeinde Zeuthen, die sich seit Beginn der BER-Planungen gemeinsam mit der Bürgerinitiative BLiZ e. V. für alternative Abflugrouten und einen entsprechenden Schallschutz eingesetzt hatte, hat wie Eichwalde, Schulzendorf und auch Königs Wusterhausen bei allen zuständgen Stellen die Einhaltung der Hoffmann-Kurve eingefordert. In letzter Konsquenz prüfe man in ­Zeuthen auch ein gerichtliches Vorgehen. Auch in der Königs Wusterhausener Stadtverwaltung sieht man aufgrund vermehrter Beschwerden von Einwohnern Handlungs­bedarf. Bürgermeisterin Michaela ­Wiezorek übergab der Flughafengesellschaft jüngst eine Petition mit 2000 Unterschriften – insbesondere von Bewohnern aus den Ortsteilen. „Auch wenn die Petition namentlich an mich gerichtet ist, so müssen wir alle gemeinsam handeln“, sagt die Bürgermeisterin. Die Stadt Königs Wusterhausen sei immer eine Befürworterin des Flughafens BER gewesen und zeige sich daher enttäuscht über die nicht eingehaltene Zusage zur Routenführung. Um Vertrauen zurückzugewinnen müsse seitens der Flughafengesellschaft alles unternommen werden, dass es zu spürbaren Lärm­reduzierungen kommt.

TM