So kann man sich täuschen. Landläufig herrscht doch die Meinung, unsere Volksvertreter bekommen viel Geld für wenig Tun. Auch bei uns im Kurier wurde in den vergangenen Jahren oft gefragt, was macht eigentlich unsere hiesige Bundestagsabgeordnete? Man wusste es nicht. Im Bundestag sieht man ja auch meistens leere Reihen. Nicht, weil die, die eigentlich im Plenarsaal sitzen müssten, im Café verweilen, sondern weil sie Geld verdienen müssen. Ihre paar Abgeordneten-Pinunsen reichen nämlich nicht. Was sie an Diäten bekommen, scheint auch nicht das Gelbe vom Ei zu sein. Berlin hat jetzt mal aufgebröselt, wie viele seiner Abgeordneten noch ´nen Euro nebenbei machen müssen. Dort ist ihre Zahl im Vergleich zur vergangenen Legislaturperiode gestiegen. Mehr als jeder zweite – 52 Prozent (76 von 147) der Abgeordneten – muss sich neben seinen Diäten etwas dazuverdienen. 2021 waren es noch vier von zehn. Nicht bloß die kleinen Hinterbänkler, sondern auch Abgeordnete, die ein Regierungsamt innehaben sowie Abgeordnete mit besonderen parlamentarischen Aufgaben. Finanziell am schlechtesten dran sind die Lindner-Jünger, die FDPöler. Zehn der zwölf Abgeordneten sind auf zusätzliche Knete neben ihren Abgeordneten-Diäten angewiesen. Mehr als acht von zehn insgesamt! Sie können sich keine Protzhochzeit wie Bundesfinanzzampano Lindner leisten. Bekommt man da nicht automatisch Mitleid mit den Liberalen? Aber auch bei der CDU sind sie finanziell nicht so gut aufgestellt: Dort müssen 67 Prozent der Abgeordneten zusätzlich zu ihrem Tagwerk noch anderweitig schuften, um zu etwas mehr Geld zu kommen. Bei der SPD sind es 48 Prozent und bei der AfD 46 Prozent. Die Fraktion, deren Abgeordnete am wenigsten auf Zusatzjobs angewiesen sind, ist die der Linken: Nur gut jeder 3. von ihnen braucht die – wie auch die die Grünen-Vertreter. Das Ganze hat kein „Gschmäckle“, sondern ist legal und im Abgeordnetengesetz ausdrücklich geregelt. Die regulären Diäten der Berliner Abgeordneten betragen derzeit 6657 Euro im Monat, dazu kommen Personal- und Sachkostenzuschläge, etwa für den Unterhalt von Abgeordnetenbüros. Die Brandenburger Abgeordneten bekommen monatlich 8608,01 Euro Grund-„Gehalt“. Dazu diverse Zulagen. Bei manchen sind die Nebeneinkünfte Peanuts: elf der Berliner Angeordneten haben bis 1000 Euro zusätzlich. Jeweils 24 Abgeordnete sind zwischen 1001 und 25 000 Euro zusätzlich sowie sechs mit 25 001 und 75 000 Euro dabei. 75 001 bis 150 000 Euro zusätzlich sacken zwölf Abgeordnete ein, fünf Abgeordnete 150 001 bis 250 000, darunter drei Senatoren und die Regierende Bürgermeisterin. Spitzenverdienerin ohne Regierungsamt ist eine Grüne Anwältin mit einem Einkommen von 150 001 bis 250 000 Euro zusätzlich. Die meisten Parlamentarier mit Nebeneinkünften arbeiten als Rechtsanwalt beziehungsweise als Jurist in einem Unternehmen. Im Bundestag mussten die Parlamentarier bisher ihre Nebeneinkünfte gestaffelt nach zehn Stufen angeben. Durch die Maskenaffäre in der Union, bei der Abgeordnete für das Einfädeln von Maskengeschäften teils mehrere Millionen kassierten, müssen sie ihre Nebeneinkünfte in Zukunft auf den Cent genau angeben.
Neulich wartete ich am Bahnhof KW. Alle paar Minuten sah ich Flaschensammler, die immer wieder in die Papierkörbe schauten. Sie müssen sich ein paar Cent zu ihrem schmalen Geldbeutel dazuverdienen. Wie die Abgeordneten. Und überhaupt.