Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Im wahrsten Sinne des Worts. Neulich war ich bei Klein Köris im Wald. Mit meiner Frau spazieren und schauen, wie die Pilze sich so machen. Sie machten sich sehr gut. Uns kommt eine junge Frau im noblen Steppmantel entgegen, also schon klamottenmäßig als Zugezogene aus den Altländern zu erkennen. Die Frau fängt plötzlich an, wie eine Mondsüchtige durch den märkischen Wald zu rennen. „Hat sie was genommen, Drogen oder so“, sage ich zu meiner Frau, als die Neu-Brandenburgerin ihren Mantel auf den Waldboden schmeißt, dann sich selbst auf eben diesen und japsend am Moos herumschnüffelt, als hätte sie lange keine frische Luft geatmet. „Ich bin beim Waldbaden, beim Entschleunigen“, bescheidet mir die Frau. „Oh mein Gott, wie mich das flasht“, ruft sie ekstatisch „diese good Vibes. Diese guten Schwingungen. Versuchen Sie es doch auch mal! Umarmen Sie doch mal einen Baum!“ Ich weiß ja, unsere Heimat, das sind auch all die Bäume im Wald. Das haben wir früher in der DDR in der Schule immer gesungen. Na, ok, ich kann es ja versuchen mit dem Entschleunigen. Ich darf nun nicht mehr reden, schon gar nicht singen, das Handy muss aus bleiben. Dann zeigt mir die Frau, wie man richtig umarmt, nicht einander, sondern einen Baum, um total entschleunigen zu können: Wie den geliebten Partner!“ Mit Kuss auf Zunge, will ich fragen, traue es mich aber nicht. „Bäume umarmen – das ist doch ganz easy. Dicke und schlanke, Kiefer oder Buche – egal. Geht sogar bei Corona.“ Dann wühlt die Frau mit den Händen in der feuchten Erde wie ein Trüffelhund und riecht am regennassen Boden. Dann wirft sie sich juchzend Laub aufs Haupt. Haben wir als Kinder auch gemacht. Einfach so. Da hieß das nur eben im Wald rumtoben. Und heute Waldbaden. Die Baderin erklärt mir, das Ganze schärfe den Blick und soll nicht nur gestresste Großstädter zurück zur Natur finden lassen. Doch für Waldbaden-Anfänger, für das richtige Waldbaden, braucht es schon einen Coach. Der kostet natürlich was, also ohne Moos nix los. Ich sehe den Wald ab jetzt mit anderem Blick. Mit geschärftem. Auch die badende Hergezogene. Sie liegt auf dem Rücken auf dem Waldboden wie in einer Badewanne – nur im Hemd – und strampelt mit den Beinen, plätschert quasi im Herbstlaub. Ach, ich glaubs nicht, wie mich das flasht, das Weib dort im Waldlaub! So entschleunigt wie ich bin. Dieses good Weibs. Ein Bild für unsere Märkischen Schönen. Meine Frau zeigt mir nur einen Vogel. „Schau lieber nach Pilzen. Und überhaupt.“
Ange(mark)t Good Vibes