Früher gab es an den herrschaftlichen Höfen Narren. Die hatten Narrenfreiheit bei ihren Wörtlichkeiten und lobpreisten meist ihre Herren – auch mal mit einem kleinen kritischen, aber folgenlosen Seitenhieb. Das soll es nach der grünen Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt bald nun wieder geben. Um „die Politik poetischer und die Poesie politischer“ zu machen und „mit Poesie soll ein diskursiver Raum zwischen Parlament und lebendiger Sprache“ eröffnet werden. Quasi mit Goethes Versfuß sich dem Parlament anzuschleimen oder vielleicht gegen die inhaltliche Themendürre anzureimen. Die Idee sorgte sogleich für Spott und Kritik. Haben wir nicht andere Probleme, als Poesie – egal, welcher Art, ins Parlament zu bringen oder neue Grünen-Projekte zu finanzieren? Kunst und Dichtung werden hier falsch verstanden, wie Wolfgang Kubicki aus der FDP-Spitze im „Tagesspiegel“ sagte: „Künstler sollen eigentlich Stachel im Fleisch der Herrschenden sein, nicht deren Angestellte.“ Denn es soll auch Stipendien geben. Und es gab sogleich auch Bewerbungen für den PoetenInnen-Posten. Auf Twitter kamen schon Kostproben wie das aussehen könnte: „Rosen sind rot, Veilchen sind blau, Gendern ist scheiße, das weiß ich genau.“ Genau! Oder: „Der Kanzler! Das Parlament! HURZ!“ Parlamentspoet – eine Art Hofnarr, der den Mächtigen den Spiegel der Eitelkeit vorhält? Oder ein willfähriger Dichter, der die Heldentaten der im Hohen Haus Sitzenden besingt? Wie Günter Grass, der einst lobende SPD-Slogans dichtete. Ein Barde aus KW sang auch schon für ein Plätzchen am Katzentisch der Macht das Loblied des jeweiligen Bürgermeisters oder von gerade regierenden Landespolitikern. Egal, welcher Couleur. Und wenn die besungene Partei wechselte, dann wechselte er auch seine Melodei. Die meisten Politiker fabrizieren sowieso nichtssagende Floskeln aus den Wortversatzstücken ihrer Parteien: Wie jüngst erst wieder beim Bundestagswahlkrampf: „Chancen wahrnehmen“, „Voraussetzungen schaffen“, „Möglichkeiten eröffnen“, das Land „gemeinsam nach vorne bringen.“ Der Schriftsteller George Bernard Shaw erkannte schon seinerzeit: „Die Politik ist das Paradies zungenfertiger Schwätzer.“ Da war aber an unseren einstigen Verkehrtminister Scheuer oder das Jensi Spahn noch gar nicht zu denken. Im Parlament wird zwar viel geredet, aber wenig davon ist wahrhaftig. Oscar Wilde nannte es eine Verdrehung von Tatsachen, gestützt auf Argumente. Und vielleicht bald auch auf hofpoetische Ergüsse. Wenn die Parlaments-Hof-Poeten in Hexametern sprechsingen und reden sie die Politik mit Versen schön. Das stinkt das gemeine Volk an. Vielleicht sollten sie lieber ihre Gedankenfürze tanzen.
Das ist amüsanter. Und überhaupt.