Im „Homeoffis“

Bis vor einem Jahr wussten die meisten Deutschländer gar nicht, was „Homeoffis“ ist und geschweige denn, wie es gesprochen wird. Nun sind viele schon in einem solchen – ob es ihnen nun gefällt oder nicht. Ganz ehrlich: Mir gefällt das mit dem Homeoffice und dem Home-Look. Und: Von wegen die Daheimarbeitszeit lässt uns verlottern, unsere Anzieh-Sitten würden verkommen. Im Gegenteil: Meine Frau zum Beispiel trägt jetzt jeden Tag was Anderes, noch nie an ihr Gesehenes und total Schickes. Kein Wunder. Sie ist täglich auf der Shoppingmeile: also nicht online, sondern im Home-Shop: im Kleiderschrank stöbern. Da findet sie immer was Neues. Alles Sachen, die sie bisher noch nie getragen hat, die fast alle ganz neu sind. Gekauft hat sie die schon im vorletzten Jahr, als wir noch im irrigen Glauben waren, durch die Welt düsen oder kreuzfahrtshippern zu können. Und da brauchts ja was anzuziehen. Aber wenn das jetzt alles im Schrank hängt, wird es auch nicht modischer. Ich bin nur jeden Tag aufs Neue erstaunt, was meine Holde alles an tollen Klamotten hat. Obwohl sie ja immer sagt, sie stünde quasi nackt da, weil sie nichts habe. Naja, je mehr Frauen im Schrank haben, desto weniger haben sie anzuziehen. Jetzt kommen die Sachen – wenn auch nur daheim – wenigstens mal zur Geltung. So ist jeder Tag dank Homeoffice einer wie auf der Fashionweek. Von vielen Leuten weiß ich aber, dass Homeoffice für sie bedeutet, daheim nur noch in unästhetischen Schlabber-Trainingshosen oder im Schlafanzug rumzulümmeln. Zu Telefon-Konferenzen  hocken sie dann in Schlüppern und Puschen mit krummem Rücken auf dem Küchenstuhl: „Halloo, kann man mich jetzt hören?“ Dann wird beim Videocall schnell ein Schlips umgeschlungen oder eine feine Bluse übergeworfen – untenrum siehts ja keiner. Hauptsache obenrum schauts halbwegs manierlich aus. Nur mit den Haaren ist das ein Problem. Das einem echt über den Kopf wächst. Die kleine Tochter von meinem Kumpel meinte neulich „Du Oma. Wollen wir Dir Zöpfe flechten?“ – „Aber, ich bin doch der Opa…“

Für Fußballspieler oder Politiker scheinen aber immer noch ein paar illegale Coiffeur-Hinterstübchen offen zu sein, so geschniegelt wie die immer aussehen. Ich habe mir ja die Haare selbst geschnitten – das schaut auch so aus.  Meine Frisur erinnerte an die der Russenjungs früher. Oder der Muschiks in den russischen Kasernen. Aber das wächst sich dreimal wieder aus, bis der Lockdown vorbei ist. Es bringt auch nichts, sich wie manche im Homeoffice mit Boss-Parfüm einzunebeln, wenn man das im Videochat nicht merkt und trotzdem wie ein Puma müffelt. Mit dem Homeoffice ist es ja nicht jedermans/fraus Sache. Es ist schon schön, selbst zu entscheiden, ob das Fenster auf oder zu bleibt und was (und ob überhaupt etwas) man heute trägt. Und sich morgens im Bett noch mal umzudrehen, ohne davon gehetzt zu sein, dass Bürozeit ist. Nicht befürchten zu müssen, dass man erwischt wird, wenn man Sex am Home-Arbeitsplatz hat oder wie man gerade Filmchen über Möpse anschaut. Also die von der letzten Hundeschau. Nicht jeder hat die Möglichkeit dazu. Der Busfahrer ist da genauso dumm dran wie die Postfrau. Oder Elli, unsere Sekretärin.

Manche halten es nicht aus, Tage und Wochen allein zu arbeiten. Ihnen fehlt der lauwarme Büro-Kaffee mit seinem typischen Nicht-Geschmack. Bekommt man aber in den Griff: Einfach Entkalker in der Kaffee mischen! Oder man vermisst den Büroklatsch auf dem Flur. Deshalb ist es gut, Homeoffice langsam anzugehen. Habe ich auch gemacht und das Thema mit anderen Homekumpels, mit der Mikrowelle und dem Laptop, besprochen. Wir waren uns einig, dass wir die Waschmaschine dabei außen vor lassen, die soll sich mal drehen! Der Ofen war bei dem Thema gleich auf 180 – nur der Kühlschrank blieb cool.

Eine Kneipentour nach Feierabend geht ja auch nicht. Ich mache eine etwas andere: Mit einem Bier von einem Zimmer ins andere wandern. Wann hat der ganze Mist mal ein Ende? Wird schon werden, wir haben auch andere Katastrophen überstanden. Wie das Dschungelcamp im Fernsehen und den Wendler. Aber wenn Homeoffice mal nicht mehr unser beherrschender Arbeitsalltag ist, werden vielleicht trotzdem manche Gewohnheiten bleiben. Zum Beispiel, dass man dann Männer mit Laptop unterm Arm, aber weiterhin in Unterhosen ins Büro stiefeln sieht. Ebenso Frauen mit Highheels und in weißen Blüschen –  und vielleicht in Spitzenhöschen. Das Arbeiten wird eine wahre Augen-Freude. Wir gehen dann wieder gern ins Büro. Und überhaupt.