Neue Bildungstrend-Studie: Brandenburger Schüler in Mathe und in Naturwissenschaft verschlechtert
Ganz abwegig ist es nicht, Brandenburgs Bildungsstand mit Hertha BSC in der Bundesliga zu vergleichen. Hertha wie Brandenburgs Bildung spielen seit Jahren nicht in der Tabellenspitze mit. Mit dem jetzt vorliegenden neuen Bildungstrend wird das ganz konkret gezeigt. Er besagt, dass die Brandenburger Neuntklässler in Mathe, Biologie, Chemie und Physik in den vergangenen sechs Jahren deutlich abgesackt sind.
Der Bildungstrend basiert auf einer Studie des an der Berliner Humboldt-Universität angesiedelten Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. Getestet wurden fast 45000 Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen an knapp 1500 Schulen. Untersucht wurde vor allem, ob sie die Bildungsstandards erreichen, die für den Mittleren Schulabschluss (MSA) in der 10. Klasse – also ein Jahr später – gelten. Dabei gehört Brandenburg neben Sachsen-Anhalt zu den Bundesländern mit den deutlichsten Verschlechterungen. In Mathematik schaffen zum Beispiel noch 41,6 Prozent die erforderlichen Standards, fast zehn Prozent weniger als zuvor. In keinem anderen Land zeigt die Kurve so deutlich nach unten. Vor sechs Jahren verfehlten noch 18,8 Prozent der hiesigen Neuntklässler die IQB-Standards in Mathematik. Jetzt sind es schon 24,2 Prozent. In Mathematik betrifft das Absacken des Leistungsstands besonders Schüler an Gymnasien.
Auch in Chemie sind die Ergebnisse verheerend. Waren es 2012 nur 7,1 Prozent, die hier nicht das erforderliche Wissen hatten, so sind es jetzt 17,1 Prozent. Aber ruhig bleiben, nur keine Panik, heißt es im Brandenburger Bildungsministerium. Das seien vergleichsweise „auch nicht mehr Schüler als im Bundesschnitt“. Die stellvertretende Leiterin der Studie Henschel warnt ebenfalls vor Panik. Sie meint: „Insgesamt sind die Leistungen der brandenburgischen Schüler im Fach Mathematik immer noch gut.“ Wie all die Jahre: Selbstzufriedenheit und Mittelmaß – der Maßstab in Brandenburgs Bildungswesen.
Die Bildungsministerin des Landes Britta Ernst (SPD) sieht die Studie und die Entwicklung immerhin „mit Sorge“. Aber was tut sie dagegen? Sie verweist auf ihre Bildungs-Qualitätsstrategie. Damit soll „ein höherer Stellenwert“ bei den Naturwissenschaften erreicht werden. Jetzt müsse „eine sorgfältige Analyse und Ursachenforschung“ folgen. Die alte Masche: Bilden wir doch eine Arbeitsgruppe. Doch braucht es die für das Erkennen der Ursachen? Sie liegen doch auf der Hand: Eine verfehlte Bildungspolitik mit immer wieder anderen Prämissen wie auch die Lehrergewerkschaft bemerkt, zu wenig Lehrer, das Abwälzen der Bildungsvermittlung auf Quereinsteiger, die dem nicht gewachsen sind.
Ende 2018 waren an den staatlichen Schulen bereits zwölf Prozent der knapp 20000 Lehrkräfte ohne Pädagogik-Studium. Mitte 2017 waren es noch rund 8 Prozent. Doch ohne diese Quereinsteiger geht nichts mehr. Die Lehrerausbildung wurde in den vergangenen Jahren durch die Landesregierung sträflich vernachlässigt – nun fehlen die Lehrer. In den nächsten Jahren könnte und muss deshalb wohl auch jede zweite Lehrkraft ein Quereinsteiger sein. Da die Zahl der Pensionierungen in den kommenden Jahren rasant zunimmt, ist Besserung nicht in Sicht. Vor allem an Förderschulen und Oberschulen ist jeder 5. Lehrer bereits älter als 60 Jahre. Und von den heutigen 7850 Grundschullehrern gehen 16 Prozent bis 2027 in Pension. Doch: Nach 1990 bis etwa 2015 sind praktisch gar keine Lehrer mehr eingestellt worden – weil die Verantwortlichen kurzsichtig waren und nur sahen, dass die Schülerzahlen wegen des Geburtenknicks massiv zurückgingen. Sie meinten deshalb, weniger Lehrer zu benötigen.
Spitzenreiter beim aktuellen IQB-Bildungstrend sind Sachsen und Bayern. Die konnten sich in allen Punkten deutlich verbessern. Der Lernvorsprung zum Beispiel gegenüber Berlin beträgt bis zu zweieinhalb Schuljahre! Wo Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich stehen, werden wir schon im Dezember sehen. Dann wird die neue Pisa-Studie veröffentlicht. Sie verheißt insgesamt wenig Gutes.
Interessant: Die Jungen lassen bei den gemessenen Kompetenzen fast durchgehend nach. Nur in der Mathematik sind sie stärker als die Mädchen. In Biologie, Chemie und zum Teil in der Physik sind dagegen die Mädchen vorn. Und: Wie in der Wirtschaft und in der Politik so sind die Jungen trotz größtenteils schwächerer Kompetenzen in fast allen Fächern immer noch eher von den eigenen Leistungen überzeugt. Womit wir auch wieder bei der bei Fußball-Hertha wären.
UR / Foto: E. Amikishiyev