
Denis Merten führt das Böttcherhandwerk so aus,
wie es seine Familie seit Generationen weiter gibt
Mit rhythmischen Schlägen treibt Denis Merten ein Stahlband auf ein Holzfass, das vor ihm auf dem Boden in der Böttcher-Werkstatt Messerschmidt in Neu-Zittau (Landkreis Oder-Spree) steht. In der linken Hand hält er den sogenannten Setzhammer, der eine kleine Kerbe in der Schlagfläche hat. Die sitzt auf dem Eisenring, der die Dauben des Fasses zusammenpresst. Mit der rechten Hand führt der 47jährige Böttchermeister den Schlaghammer, der mit regelmäßigen metallischem Singsang auf den zweiten Hammer niedersaust. Allmählich schiebt sich das Eisenband – der sogenannte Kopfreifen – über das Holz. Es ist der letzte von sechs Stahlringen, die das neue Whiskyfass in der Form halten. Der Neu-Zittauer legt seine schweren Werkzeuge auf dem oberen Fassboden ab und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Das geht auf die Knochen“, sagt er, „aber so ist das nun mal, wenn man noch richtige Handarbeit liefert.“
Denis Merten ist der letzte Böttcher von Brandenburg. Er nennt die Schwelle zu seiner Werkstatt auf dem Hinterhof im Nachbardorf von Königs Wusterhausen selbst eine „Zeitschleuse“, durch die er täglich zwischen zwei Welten wandelt. Auf der einen Seite sei er ein ganz normaler Familienvater, der mit Frau und Sohn in den Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts lebt. Auf der anderen Seite aber ist er ganz bewusst ein Mann der Traditionen, ein Fassbinder und Kübelbauer vom alten Schlag, für den die Verwendung von Materialien wie Kunststoff oder Silikon ein Verrat der eigenen Berufsehre wären. Er dichtet seine Holzfässer noch mit Schilf ab, das er sich von den nahen Gewässern holt.
Denn Denis Merten übt sein uraltes Handwerk noch genauso aus, wie er es von seinen Vorfahren erlernt hat. Seine Böttcherei Messerschmidt gibt es seit mehr als 170 Jahren. Feiner, milchiger Holzstaub liegt wie Puder auf allen Maschinen und Gerätschaften der Werkstatt, so als hätten sich die Jahresringe der geschnittenen Baumstämme auf die Arbeitswelt des Böttchers übertragen. Er selber ist bei seinem Schwiegervater Hans-Joachim Messerschmidt in die Lehre gegangen. „Ich habe in eine Familie eingeheiratet, die das Böttcherhandwerk nun schon über sieben Generationen an den Nachwuchs weitergibt“, sagt der aktuelle Firmenchef. Als Ehrerbietung an die Familientradition, die ihre Anfänge in Thüringen hat und nun in Brandenburg fortgesetzt wird, behält er den Namen der Werkstattgründer bei.
Vom Zuschnitt des Holzes bis zum Auftreiben der Eisenreifen auf die gebogenen und zusammengefügten Dauben sind unzählige Arbeitsschritte von Nöten, um ein einzelnes Fass herzustellen. Denis Mertens führt in seinem Ein-Mann-Betrieb alle Handgriffe selber aus. Das Sägen, das Hobeln, das Auskehlen, das Aneinanderfügen und das Biegen des Holzes im Dampf, das Ausbrennen über offenem Feuer, um es von seiner Spannung zu befreien, und schließlich das Einfügen der beiden Böden in die gefräste Nut der Dauben – das alles verlangt die handwerkliche Präzision eines absoluten Spezialisten. „Für ein herkömmliches Fass zwischen 100 und 225 Liter Fassungsvermögen sind rund zwei Arbeitstage von Nöten“, sagt der Böttcher.
Im Moment ist das klassische 225 Liter-Barriquefass besonders gefragt. „Die Anfertigung von Whisky-und Destillatfässern, in denen Obstbrände reifen sollen, gehört derzeit zu meinen Hauptaufträgen“, sagt Denis Merten. So zahle sich auch für ihn der Trend aus, dass in Brandenburg und in anderen Teilen Deutschlands gerade viele kleine regionale Brennereien aus dem Boden schießen. Daneben stellt er vor allem noch Pflanzgefäße in allen Größen für Gärten und öffentliche Parkanlagen sowie Eimer für den Verkauf von Spreewaldgurken her.
Als Material verwendet der Böttcher hauptsächlich Eichenstämme aus dem Spessart. Die Bäume aus dem Gebirge zwischen Bayern und Hessen zeichnen sich durch ihre reichen Nährstoffe aus. „Aus denen kann ich ein ganz besonderes Aroma mit Spuren von Muskat und Vanille herausholen“, sagt Denis Merten, „damit bekommen vor allem Whisky und andere dunkle Brände eine extravagante Note und eine besonders intensive Farbe.“ Damit Holz und Flüssigkeit auf besondere Art und Weise miteinander harmonieren, „toastet“ der Handwerksmeister auf speziellem Wunsch seiner Kunden die Fässer in einem weiteren Arbeitsgang. „Ich räuchere sie innen, indem ich sie mit den Spänen, die zuvor bei der Bearbeitung des Holzes angefallen sind, ausbrenne“, erklärt Denis Merten.
Der 17jährige Böttchersohn Ansgar kommt in die Werkstatt. Er hat sich wie sein Vater eine Lederschürze übergeworfen. Der Teenager zieht es – meistens jedenfalls – in seiner _Freizeit vor, in der Werkstatt des Vaters zu hämmern und zu hobeln statt an Computer und Handy zu datteln. „Den haben wir gleich als Baby auf einen der Fassböden gelegt, damit er das ganze Drum und Dran mit der Muttermilch aufsaugt“, sagt der Vater mit einem breitem Grinsen. Dann greifen beide gemeinsam zu den Schlagwerkzeugen, um mit vereinten Kräften einen weiteren Eisenreifen auf ein Fass zu treiben. Es sieht ganz danach aus, als stehe die achte Generation der Böttcherfamilie schon bereit. TM