Ein „Wessi im Osten“ blickt auf die Verfehlungen des Westens im Osten
Das angeMarkt vom 17. August dieses Jahres zu den Verfehlungen der ehemaligen rbb-Intendantin hat viele Leserbriefe an die Redaktion ausgelöst. Einige davon haben wir bereits veröffentlicht – siehe die Ausgabe vom 31. August. Anbei noch die Sicht eines „Wessis im Osten“, der auf die Versäumnisse des Westens im Einheitsprozess verweist.
„Ich bin erst vor gut zehn Jahren aus der Münchner Gegend nach Brandenburg gezogen. Als Brandenburg-Lehrling, der ich nach wie vor bin, habe ich immerhin schon etwas Wichtiges gelernt: Wir ‚Wessis‘ schulden den Menschen in Ostdeutschland längst Anerkennung für das, was sie für Gesamtdeutschland auf sich genommen haben bzw. auf sich nehmen mussten, denn sie konnten für die Nazi-Zeit und den Zweiten Weltkrieg auch nicht mehr als die Westdeutschen: Hatten sie nicht – bezogen auf die Ursprungsbevölkerung – einen weitaus größeren Teil an Flüchtlingen und Vertriebenen aufgenommen? Mussten sie nicht einen sehr viel größeren Teil der Reparationsleistungen schultern, während der Westen bereits Wiederaufbauhilfen aus den USA bekam? Hätten sich die Menschen wohl für das DDR-System entschieden, wenn sie sich entscheiden hätten dürfen? Verdanken wir nicht unsere Wiedervereinigung zu einem entscheidenden Teil der friedlichen Revolution in der DDR? Und kamen dann statt blühender Landschaften nicht viel mehr Arbeitslosigkeit und abrupte Umstellung auf das ganz andere Westsystem? Die Liste mangelnder Anerkennung für ungleiche Lastenverteilung ließe sich fortsetzen bis in die Gegenwart, etwa bezüglich Lohngerechtigkeit. Sicher, ‚der Westen‘ hat viel Geld in Ostdeutschland investiert, aber er hat auch viel Geschäft gemacht und dabei garantiert auch die Unerfahrenheit der ‚Ossis‘ ausgenutzt. Mir jedenfalls ist nicht bekannt, dass sich die ‚Wessis‘ je mit diesem Themenkomplex näher befasst hätten, obwohl ich überzeugt bin, dass das äußerst wichtig wäre im Verhältnis von ‚Ossis‘ und ‚Wessis‘! Ich persönlich kann mich jedenfalls nur herzlich bedanken für die freundliche Art, mit der ich von Anfang an in Brandenburg aufgenommen wurde!
Es grüßt aus Bestensee Joseph Leuthner.“