„Stadt des Anstoßes“: Jüterbog feiert
das 500-jährige Reformationsjubiläum

Luther ehren. Am Dienstag ist mit dem 500. Jahrestag des Lutherianischen Thesen-Anschlags ein Feiertag in ganz Deutschland – auch für die Katholen. Gleichzeitig ist er das Ende des Reformationsjubiläums und der Luther-Dekade. Aber um zu Luther zu gelangen, führt kein Weg am „Bad Boy der Reformation“, am Bösen Buben, dem Ablasshändler Tetzel und damit an Jüterbog vorbei. Vor gut 500 Jahren ging dieser Weg in die Geschichte ein. Viele Wittenberger gelangten auf ihm zu dem Dominikanermönch Johann Tetzel nach Jüterbog kehrten und mit Ablassbriefen zurück. Das waren Zettel mit dem päpstlichen Siegel, mit denen sich das Sünderlein von seinen Schandtaten freikaufen konnte und ihm so angeblich die Qualen der Vorhölle erspart bleiben. 1517 war Tetzel als General-Subkommissar beim Ablasshandel für den Bau der Peterskirche in Rom in Jüterbog. Das Geld aus dem Freikauf von Sünden wurde dafür verwandt. Ablass und Buße – sie entstanden mit dem Wunsch, die harten Normen christlicher Vollkommenheit mit der menschlichen Realität in Einklang zu bringen. Der Ablass wurde seit seiner Entstehung im 11. Jahrhundert als Ersatz für jene irdischen Bußleistungen verstanden, die die Gläubigen nach der Beichte zu erbringen hatten und später auch Mittel zur Verringerung der Buße der Sünderlein im Fegefeuer – der schlimmsten aller kirchlichen Strafen – im Jenseits war. Sündern wurde hier gegen bare Münze verziehen. Schon damals konnte man sich, wie es heute in der Politik gang und gäbe ist – von seine Sünden freikaufen. Als Beleg dafür erhielten sie einen Ablassbrief. „Der Ablass wird zugelassen um der unvollkommenen und faulen Christen willen, die sich nicht ernsthaft in guten Werken üben und das Leiden scheuen“, begründete Tetzel die Aktion. Um die Menschen zum Ablasskauf zu bewegen, ließ er einen Teufel auf den Ablass-Kasten in Jüterbog malen, der die armen Seelen im Fegefeuer quält. Darüber stand geschrieben: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt.“ Noch heute steht in der Nikolaikirche der sogenannte Tetzelkasten, ein gewaltiges Holzteil mit einem großen Schlitz ähnlich einer Sparbüchse zum Einwurf der Sündengelder.
Johann Tetzels Wirken und der Missbrauch des Ablasses war auch der Anlass für die wütenden Thesen des Augustinermönches Martin Luthers. Darin versucht er – der bei seiner Geburt 1483 noch Luder hieß und seinen Namen später ändern ließ – zu beweisen, dass der Ablasshandel ein gewaltiger Irrweg ist. Jedenfalls gings da los mit der Reformation. Der Legende nach hat Luder-Luther am 31. Oktober 1517 in Wittenberg seine Thesen an die Kirchentür gekloppt, was allerdings absolut nicht bewiesen ist. Aber in der Kirche braucht man immer etwas, woran man glauben kann. Und eben feiert.
Kultur und Tourismus haben sich lange darauf vorbereitet und bieten nun ein umfangreiches Programm an – vorneweg die Stadt Jüterbog. Höhepunkt des Jubiläumsjahres in Jüterbog ist die Ausstellung „Tetzel – Ablass – Fegefeuer“. Dort geht es weniger um Luther, sondern vielmehr um seinen Gegenspieler Tetzel. Er wird erstmals umfangreich mit zahlreichen Originalquellen vorgestellt. In der Ausstellung werden neben dem Fegefeuer-Altar von Cranach auch die 106 Gegenthesen, mit denen Tetzel Luther geantwortet hat, im Originaldruck gezeigt. Arme Sünder im Fegefeuer, ein rettender Engel und die betende Mutter Maria: Drastische Bilder sind es, mit denen der Jüterboger Cranachaltar ins Jenseits schaut. Der Altar mit der Darstellung über die Angst vor Höllenqualen und die Hoffnung auf Erlösung ist eines der Hauptexponate der brandenburgischen Veranstaltungen zum 500. Reformationsjubiläum 2017. Die Ausstellung im Chor der ehemaligen Mönchenkirche sowie in der Nikolaikirche beleuchtet die Grundlagen der großen Ablässe und rückt den historischen wie den sagenhaften Tetzel ins Licht. Dessen historische Person verschwand schon im 16. Jahrhundert unter zahlreichen Fabeln, die ihn moralisch in Frage stellten und zum bekanntesten Sündenbock seiner Zeit machten. Luther selbst schrieb ihm 1519 einen Trostbrief und erklärte, Tetzel sei keinesfalls der alleinige Auslöser des Ablassstreites gewesen.
Auch der berühmte Tetzelkasten aus der evangelischen Nikolaikirche ist zu sehen. Er steht nicht nur für den Reichtum, den die Kirche damals mit der Angst der Gläubigen gemacht hat, sondern auch für ein besonders schlaues Kerlchen und für die verhängnisvollen Folgen des Ablasshandels für Tetzel selbst. Fontane führt in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg im Band 1 aus: „Ein Ritter Hans von Hake aus Stülpe war es, „der auf der Golm-Haide zwischen Jüterbogk und Trebbin den Ablaßkrämer Tetzel überfiel und ihm unter der höhnischen Vorhaltung‚ den Ablaßzettel für erst noch zu begehende Sünden gestern von ihm gekauft zu haben’ die ganze Barschaft abnahm und den Kasten bergab in den Schnee rollte. Der Kasten wird bekanntlich noch in der Kirche zu Jüterbogk aufbewahrt.“
Jüterbog selbst sieht sich als „Stadt des Anstoßes der Reformation“. Luther selbst war jedoch nie in Jüterbog. Doch der Begriff Lutheraner wurde in Jüterbog geprägt. Nicht direkt in der Auseinandersetzung mit Luther, sondern aus Ärger über Thomas Müntzer. Kurz nach dem Thesenanschlag Luthers in Wittenberg, zu Ostern 1519, predigte Thomas Müntzer in der Jüterboger Liebfrauenkirche.
Historiker, die sich mit Jüterbogs Geschichte befasst haben, bestätigen, dass der Begriff „Lutheraner“ in Jüterbog erstmals auftaucht. Der Franziskaner Bernhard Dappen verwendet ihn in einem Bericht an den Bischof über das Auftreten Müntzers in Jüterbog. Der Pfarrer Thomas Müntzer war ursprünglich Anhänger Martin Luthers gewesen. Doch genau der verfasste 1525 eine Schrift, in der er das Handeln der von Müntzer angeführten Bauern im Bauernkrieg aufs Schärfste verurteilte und den Fürsten eine Art Freibrief ausstellte – er forderte geradezu härtestes Vorgehen gegen die Bauern. Am 27. Mai 1525 wurde im thüringischen Mühlhausen der Reformator und Theologe Thomas Müntzer enthauptet, nachdem sein Bauernheer bei Frankenhausen durch ein von Reichsfürsten und schwäbischen Städten finanziertes Heer vernichtend geschlagen worden war. Anlässlich des Reformationsjubiläums wird in Jüterbog mit zahlreichen Veranstaltungen an Tetzel erinnert. Die Ausstellung „Tetzel –Ablass – Fegefeuer“ sollte man sich zum Feiertag in Jüterbog unbedingt anschauen. Sie ist noch bis zum 25. November zu erleben.
Höhepunkt der zu Ende gehenden Reformationsdekade werden am 31. Oktober 2017 die vielen offenen Kirchen sein – läutende Glocken, singende und betende Menschen an allen Orten. Ein besonderer Höhepunkt ist am 29. Oktober um 17 Uhr die Festaufführung des „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy in der St. Nikolai in Jüterbog. Und außerdem am 30. und 31. Oktober das Open-Air-Spektakel „Michael Kohlhaas“ in der Altstadt.
UR/ F: Ausstellung-Privatbesitz; Mosaik, Stadtinformation Jüterbog