
Das Start-up-Unternehmen Green City Solutions in Bestensee
sorgt mit Biotech-Staubsaugern auf Moosbasis für frische Luft
Denn der eigentliche Sinn dieser Werbe- oder Informationsflächen mit einem 75 Zoll LCD Screen-Bildschirm ist es, dass sie tatsächlich frischen Wind, ein luftige Brise in die stickige und aufgeheizte Stadt bringen. Dafür soll ihr raffiniertes Innenleben sorgen. Und deshalb schrauben die Bestenseer Kollegen an Saugvorrichtungen und Ventilatoren, an integrierten Wasser- und Stromkreisläufen oder richten elektronische Bauteile ein. Was noch fehlt ist das Herzstück der von der Firma erdachten Frischespender – die Moosplatten, die vertikal in die Konstruktion eingefügt werden, um künftig auf belebten Plätzen, in Einkaufsmalls, in Firmen- oder öffentlichen Gebäuden den Schmutz aus der Luft zu filtern. Das Moos kommt – ganz frisch und leuchtend grün in den benachbarten Gewächshäusern produziert – zum Schluss rein, bevor die „Biotech-Staubsauger“ ausgeliefert werden. Auf die, die gerade in der Bestenseer Ideenschmiede in der Endfertigung sind, warten zum Beispiel eine Markthalle in Berlin, ein Einkaufszentrum in Eisleben sowie eine Hochschule in München. Sie hat das neueste Produkt der Firma, die WallBreeze, die frische Brise als Wandverkleidung am Gebäude, bestellt.
„Das Interesse ist enorm gestiegen“, sagt Firmengründer und Geschäftsführer Peter Sänger. Die Leistungsfähigkeit der mittlerweile drei verschiedenen Produkte überzeuge immer mehr Auftraggeber, die zum einen informieren oder werben und zum anderen aber auch etwas für ihren ökologischen Fußabdruck tun wollen. Die erste Entwicklung, der CityTree, ein holzverkleideter rund 3,5 Meter hoher Turm mit Sitzbänken, in den eine Innen-Fläche von gut vier Quadratmeter Moos und ein Wassertank verborgen sind, ist zum Beispiel für zahlreiche britische Innenstädte schon ganz selbstverständlich eine „saubere Sache“. Immerhin haben die Bestenseer Erfinder nachgewiesen, dass sich mit ihm jährlich bis zu 355 Kilo CO2 kompensieren lassen. Bei einem Projekt im Londoner Stadtviertel Wandsworth wurde gemessen, dass der Turm in zehn Wochen rund 1,3 Millionen Kubikmeter Luft gereinigt hat. Dabei werden rund 82 Prozent des Feinstaubs, der in der angesaugten Luft enthalten ist, vom Moos „gefressen“ bzw. eingelagert. Das über das feine, grüne Blattwerk gesprühte Wasser sorgt zudem im Umfeld der mit künstlicher Intelligenz gesteuerten „Moospagode“ für eine Kühlung von bis zu vier Grad Celsius.
Auch in Deutschland ist der CityTree so langsam auf dem Vormarsch. In Berlin wurde gerade einer im neu entstandenen Studentenstädtchen in Treptow aufgestellt. Das Unternehmen ist derzeit unter anderem auch mit zahlreichen internationalen Flughäfen im Gespräch, die ihren Gästen beim Warten und Shoppen mit dem smarten Interieur Information, Sitzkomfort und gefilterte Luft zugleich bieten wollen. Das kann übrigens gekauft oder auch gemietet werden.
Das Know How der grünen Stadtmöbel geht auf das kreative Fachsimpeln einer bunt gemischten Studentengemeinschaft zurück. Peter Sänger und sein Bruder entstammen einer alteingesessenen Gartenbaufamilie aus Süd-Sachsen, deren berufliche Traditionen bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Beim Gartenbaustudium in Dresden machten sie sich zusammen mit Kommilitonen aus der Architektur, dem Maschinenbau oder dem IT-Bereich Gedanken über die Stadt der Zukunft in einer sich klimatisch rasant verändernden Welt. Der künstliche und doch auf ganz natürliche Art und Weise die genialen Eigenschaften des Mooses nutzende Biofilter „CityTree“ war eines ihrer Ergebnisse. „Im Prinzip haben wir um das Moos herum eine Maschine konstruiert, die auf kleiner Fläche die vielfältigen Kräfte der Pflanze effizient nutzt“, sagt der heute 31jährige Firmenchef. Er gründete mit seinen Partnern das Start up in Dresden, um den CityTree zur Produktionsreife zu führen. Sie überzeugten private Geldgeber und auch öffentliche Förderer. 2019 entdeckten sie die zur Nutzung verfügbaren intakten Gewächshäuser in Bestensee und griffen zu. So haben sie genügend Platz für ihre Moosfarm, in der sie die für sie geeigneten Arten im großen Stil kultivieren können. Tests im firmeneigenen Labor liefern dafür die Daten, die stets aktualisiert und verfeinert werden. In den Pflanzenhallen wachsen und gedeihen aber nicht nur die neuen, auf speziellen Matten gezüchteten Moossegmente. Die bereits ausgelieferten werden auch regelmäßig ausgetauscht und erhalten in Bestensee eine Auffrischungskur. „Rund 2000 Matten sind derzeit bereits im Umlauf“, berichtet Peter Sänger. Die gegenwärtige Entwicklung stimmt ihn zuversichtlich, dass die Firma im nächsten Jahr zum ersten Mal schwarze Zahlen schreiben kann. Das wäre dann nicht nur für die rund 30 entstandenen Arbeitsplätze, sondern auch für das Klima ganz allgemein eine gute Nachricht.
TM