Hat eigentlich Alice Schwarzer als bekennende Frauenrechtlerin auch dagegen protestiert, als letztes Jahr eine 33-Jährige in Mahlsdorf schwimmen gehen wollte – und der Halle verwiesen wurde, weil sie sich erdreistete, das oben ohne zu tun. Die Sittenwächter in Berlin stuften die entblößten Brüste als „grob ungehörige Handlung“ ein, die geeignet sei, „die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen“. Seit wann beeinträchtigt ein nackter Busen denn die öffentliche Ordnung? Die Frau legte Beschwerde bei der Berliner Antidiskriminierungsstelle ein, weil die Badeordnung nicht explizit vorschreibe, Frauen müssten ihre Brüste bedecken. Gleiches war einer Frau passiert, die sich oben ohne in einem Berliner Park sonnte. Die Aufseher fassten den sichtbaren Frauenbusen als Handlung auf, die die Allgemeinheit belästige und zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung beitrage. Ein nackter Busen als Gefährdung der öffentlichen Ordnung? Wo leben wir denn?! Die Sonnenanbeterin weigerte sich, sich zu bedecken, die Wächter riefen die Ordnungshüter. Die Frau verwies auf die Gleichstellung von Mann und Frau im Grundgesetz. Keine Chance: Sie musste ihre Sachen packen und den Platz verlassen. Vorbei: Keine Person muss in Berliner Bädern ab sofort noch ihre Brust verdecken. Das sagte eine Sprecherin der Bäderbetriebe. „Das Schwimmen ‚oben ohne‘ ist für alle Personen gleichermaßen erlaubt“ – auch für die Aufenthaltsbereiche in den Sommer- und Hallenbädern. Das Recht auf „Oben-ohne-Baden“ für Personen und Frauen, die sich für eine halten, gilt für alle. Die Justizverwaltung hatte mitgeteilt, dass „das Schwimmen mit freiem Oberkörper auch für weibliche Personen beziehungsweise für Personen mit weiblich gelesener Brust künftig möglich sei“. Was ist eine „weiblich gelesene Brust“? Eine aus dem Playboy?
Bei der Textilfrage wird mit zweierlei Maß gemessen: Sie ist ein Relikt alter Zeiten und zeigt die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in diesem Land. Während die Herren der Schöpfung ihre Bierbäuche und üppigen Männerbrüste – im Volksmund Biertitten genannt – und die Haarmatte um ihre Nippel problemlos präsentieren dürfen, gilt die nackte Frauenbrust als Erregung öffentlichen Ärgernisses. Wird öffentlich der BH abgelegt, kommt sofort der Parkaufseher – oder gleich die Polizei. Und die Frauenrechtevorkämpferin Alice Schwarzer schweigt fein still. Klar, die öffentliche Freizügigkeit muss Grenzen haben. Und keiner möchte im Café sehen, wie nackte Brüste am Nachbartisch in den Kaffee hängen oder in die Schlagsahne titschen. Oder sich gar Alice Schwarzer barbrüstig auf einer Frauendemo produziert. Doch in Freibädern und Parks sollte Nippel-Freiheit für alle gelten. Klar ist: Keine muss oben ohne baden. Wer will, der kann. Es ist die freie Entscheidung jeder Frau. Es gibt keinen Zwang. Aber Initiativen wie „Gleiche Brust für alle“, die selbstbewusst für Gleichberechtigung eintritt. Schon Preußenkönig Friedrich II. fand ja, jeder solle nach seiner Fasson selig werden.
Doch womit die Berliner Senatsverwaltung so ein Tamtam macht – in der früheren DDR hat jeder oder jede so gebadet oder sich gesonnt, wie man es für richtig hielt. Und kaum jemand hat sich daran gestört. Hat Berlin denn keine anderen Probleme? Schließlich leben wir nicht mehr in den 50ern. In diesem Sinne: Brust raus! Und überhaupt.