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Sonntag, Dezember 10, 2023
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Oh, Heiliger Vaclav!

Lernen, lernen, nochmals lernen. Lernten wir in der Schule. Hat Lenin gesagt – als er das Zeugnis von Stalin sah. Falls heute noch einer lernt, wer die waren. Auch im reifen Alter noch was lernen – das kann ja nicht schaden, habe ich mir auch gedacht. Ich werde mich bei der Volkshochschule KW einfinden, sobald es dort weitergeht. Und zwar für einen Kurs, der immens alltagswichtig ist: Behördensprache bzw. Amtsdeutsch. Beides so etwas wie eine Fremdsprache und man versteht dabei nur Bahnhof. Nicht nur Deutsch-Neulinge, sondern auch Deutsch-Mutter-­Sprachler. Jeder, der schon mal einen Behördenbrief in der Hand hatte, war damit schon konfrontiert. Mit grammatikalischen Konstruktionen mit verschachtelten Sätzen, in denen mehr Substantive als aktive Verben vorkommen und die Passiv-Form dominiert. Die deutsche Sprache bietet ja auch die wunderbare kompositorische Freiheit, unheimlich viele Worte zu einem langen Ungetüm zu verknüpfen. Und ausgerechnet Behörden machen von dieser regen Gebrauch. Mit absurden Begrifflichkeiten und Wortungetümen wie Hochgeschwindigkeitspräzisionsanpflanzungstechnologie, Wehrsoldempfängermehrarbeitsvergütungsverordnung, Rentenversicherungsleistungsverbesserungsgesetz, Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, Sicherheitsüberprüfungsfeststellungsverordnung, Umweltverträglichkeitsprüfungsbeeinspruchung, Rückstandshöchstgehaltsfestsetzungsverfahren, Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetzes. In einer hiesigen Amtssatzung war die Rede von einer nicht lebenden Einfriedung – was einen Zaun meint. Und wenn jetzt bei Schnee manches raumübergreifende Großgrün eine Gefahrenlage darstellt, dann droht schlichtweg, ein Baum umzustürzen. Es kann auch sein, dass die Grundstücksentwässerungsanlage defekt ist. Heißt, die Dachrinne ist verstopft. Wenn dann eine Anleiterbarkeit möglich ist, also eine Leiter angestellt werden kann, lässt sich das Übel rasch beseitigen. Das Zeug kommt dann auf einen Grüngutsammelplatz, also auf den Komposthaufen. Es sei denn, es gibt vom Amt eine Versagung, also eine Ablehnung dafür. Vielleicht sogar mit Mehrstück, also mit Kopie. Und wenn die Spontan­vegetation hinter der nicht lebenden Einfriedung derart Überhand nimmt, bedeutet das: Hinter dem Zaun wächst zu viel Unkraut und das muss weg. Noch ein paar Beispiele gefällig? Ein Kind, das beschult wird, wie es jetzt mit dem Streit über Präsenzunterricht im Corona­lockdown gerade wieder zu lesen ist, geht zur Schule. Und die Kleinen werden im Behördendeutsch von ihren Eltern dorthin verbracht, also hingebracht. Ein Brandenburger Amtsgericht hat mal eine wegen Geburt verschobene Verhandlung neu angesetzt mit den Worten: „Die Zeugin hat entbunden und kann erneut geladen werden.“ Die teilweise absurden Sprach-Auswüchse kann man schon in Kitas beim Märchenerzählen erleben, wenn von einer „unbeschulten Minderjährigen in unüblicher Kopfbekleidung“ gesprochen wird. Früher hieß die Rotkäppchen. Das Aktuellste: Vakzinieren. Vakzinieren, nicht vakumieren. Das will heißen: gegen Corona geimpft. Oh, Heiliger Vaclav, Gott der Sprache! Haben Sie schon mal einen Polizeibeamten ein Interview geben hören? Sprachgrauselig. Ich habe es schon einige Male erlebt, dass Beamte auch privat so verquer quatschen. In jeder Weise ist so ein Grundlagenkurs in Beamtendeutsch von Vorteil. Denn man wird alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu. Und überhaupt.

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