Eindrücke von der Russischen Rivera – Von Ulrich Rochow(Teil 2)
– Schnee in den Subtropen –
Sotchi, das einstige sowjetische Badeparadies, der Kurort am Schwarzen Meer. Sotchi – wer wollte denn nach der politischen Wende in Russland da noch hin? Die neureichen Russen fuhren in die westlichen Kurorte, die Ostdeutschen hatten mit Mallorca oder Italien neue Traumziele. Für die meisten Westdeutschen war das ehemalige Russland sowieso ein mit Vorurteilen behaftetes Neuland, gar No-go-area. Und dann noch mit den Sanktionen gegen Russland und der Verteufelung von Putin wieder: Da fährt man nicht hin! Wie der damalige Bundespräsident Gauck aus politischen Gründen und mit seiner Aversion gegen Russen während der Olympischen Winterspiele 2014 es trotz politischer Aufforderung auch nicht tat und die Vorurteile befeuerte.
Aber die Russen selbst entdeckten Sotchi bald wieder. Vor allem russische Ski-Touristen entschieden sich vermehrt gegen die Alpen – aus politischen Gründen und wegen der Rubelkrise. Mit wachsendem Nationalstolz entdeckten sie plötzlich, im eigenen Land ist es ja auch schön. Ein Übriges tat die Vergabe der Winterspiele 2014 an Sotchi. Aber Sotchi hat wirklich viel zu bieten. Für den Abenteurer gibt es Höhlenforschen, Flussrafting, Kanufahrten, Paragliding, Wasserski, Skilaufen, Bananen-Boote, die Schifffahrten, Vergnügungsreisen, Reiten, Paintball, Wandern und viel mehr. Für diejenigen, die nicht so abenteuerlustig sind, gibt es Kasinos, Diskos, Theater, Museen, Kunstgalerien, Tee-Plantagen, Konzerte, Zirkusse. Nur die Architektur hat gelitten. Wie anderswo auch. Heute bestimmen rücksichtlos im Bauboom um die Winterolympiade hingeklotzte Hotelpaläste und Experimente mit architektonischen Finessen des Glaspalst- und Betonzeitalters, die die alten Prachtbauten überragen, die Silhouette des Urlaubsparadieses. Unterstützt durch den russischen Staat sind jedoch in und um Sotchi Infrastrukturmaßnahmen wie Straßen und Schienen ebenso umfassend wie der Bau der Sporteinrichtungen für die Olympiade auf den Weg gebracht worden. Koste, es was es wolle. Und Geld war und ist nicht das Problem. Sotchi ist auch ein Spielort der Fußball-WM 2018. Die Bergregion von Sotchi mit dem Bergkurort Rosa Khotur und dessen Skipisten ist nicht nur als Winterziel attraktiv, sondern bietet auch in den Sommermonaten vielfältige aktive Erholungsmöglichkeiten. Durch die Lage in den Bergen und gleichzeitig in unmittelbarer Nähe zum Meer ist Rosa Khutor bei Wellness- und Erholungssuchenden gern gebucht.
Auf der Terrasse an der obersten Bergstation oberhalb von Rosa Khotur sind an diesem Sommertag alle Plätze besetzt. Die Sonne brennt bei 36 Grad im Schatten von einem strahlend blauen Himmel. Oben auf den Bergen liegt noch Schnee. Natascha Belanowa aus Moskau war schon im Winter hier. Sie sagt mir: „Wir müssen uns nicht schämen für unser Vaterland. Hier kann man gut Ski fahren. Hier können im Januar die Mandarinen blühen. Aber sie haben hier viele Schneekanonen, und die sind sogar im Betrieb, wenn es schneit.“ Das stimmt, Schneekanonen stehen hier mehr als Bäume. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei in Ordnung, sagt sie. Skiurlaub sei nun mal nicht ganz billig.
Während Gemeinden in den Alpen über das Ausbleiben der Russen klagen, sind die Hotels in Rosa Khotur wie das Park Inn, in dem ich logierte – ein komfortables Vier-Sterne-Hotel mit Personal von unrussisch herzlicher Freundlichkeit, gut gebucht. Roza Chutor, Rosas Gehöft, wie es auf Russisch heißt, war früher wirklich eins. Dann wurde am Fluss ein Märchenort hingeklotzt, ein Potemkinsches Dorf oder besser Putinsches. Fassaden zum Schauen, schöne Geschäfte, Hotels und Gastrohäuser – es sieht aus wie Chamonix in Frankreich. Und die Gäste sind die gleichen wie früher dort: betuchte Russen. Für Iwan Iwanowitsch Normalow mit umgerechnet 500 Euro Monatsdurchschnittslohn ein nicht billiges Vergnügen, für deutsche Besucher erschwinglich. Selbst das beste Hotel, das „Hyatt Rengency“ in Sotchi hat keine teureren Preise als ein deutsches Spitzenhotel. Auch Bundeskanzlerin Merkel nächtigte hier kürzlich, wie mir Manager Thibault de Vries bei einem Drink auf der Terrasse mit exzellentem Blick auf das blauglänzende Schwarze Meer stolz erzählt. Exzellent und exklusiv – die Region um Rosa Chutor und Krasnaja Poljana soll nach dem Willen des russischen Präsidenten Putin zum „Schaufenster des neuen Russland“ werden, eben exklusiv und „in jeder Beziehung Weltspitze“. Ganz ist die noch nicht erreicht, aber auf dem Weg dorthin.
(Wird fortgesetzt)