Stellungskrieg um die Kaserne Niederlehme

Im Areal des ehemaligen Kasernengeländes des NVA-Nachrichtenregimentes Fritz Große in Niederlehme sind noch einige historische Relikte erhalten. Es gilt als eines der zukunftsträchtigsten Entwicklungsgebiete von Königs Wusterhausen. Foto: T. Müller

Stadtverwaltung wirft SVV-Mehrheit Blockade der Entwicklung vor 
Abgeordnete wundern sich über die Eile einer Beschlußvorlage

Als sogenannter lost place – verlorener Platz – hat das ehemalige Kasernengelände in Niederlehme Aufnahme in zahlreiche Publikationen gefunden. Aber nicht nur die Fotografen hat der „morbide Charme“ der Verlassenheit beschäftigt. Auch die Stadt Königs Wusterhausen bemüht sich seit langem um eine zivile „Zurückeroberung“ des einstigen NVA-Areals.

Immerhin gibt es seit 2014 unter dem Titel „Waldsiedlung Ziegenhals“ einen gültigen Bebauungsplan, der Wohnanlagen sowie mehrere Misch- und Gewerbeflächen vorsieht. Auf dieser Grundlage hat die Stadtverwaltung innerhalb der letzten zwei Jahre eine Vorlage zur gemeinsamen Vermarktung des Geländes mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erarbeitet, die sie der Stadtverordnetenversammlung nun zum Beschluss vorlegte. Die Mehrheit der Abgeordneten verwies das Papier im nicht öffentlichen Teil der Sitzung am 8. Januar 2021 in den Ausschuss für Stadtentwicklung.

Die Stadtverwaltung reagierte darauf mit zwei öffentlichen Erklärungen. In der ersten wird die Ortsvorsteherin von Niederlehme Katharina Ennullat zitiert. „Es ist frustrierend, wie sich eine Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung gegen die Entwicklung der Stadt und gegen die eigenen Ortsteile stellt“, sagt sie dabei. „Ich fordere alle Mandatsträger der SVV auf, nicht weiter die Entwicklung des Kasernengeländes zu blockieren.“ In der zweiten Erklärung meldet sich Bürgermeister Swen Ennullat selber zu Wort: „Erst die Brachfläche am Schlossplatz, jetzt das Kasernengelände. Das Blockieren der Entwicklung dieser wichtigen Projekte durch die Mehrheit der Stadtverordneten ist nicht nur demotivierend, es muss endlich aufhören.“

Bei den Vertretern der SVV, die den Beschluss in den Ausschuss verwiesen, reibt man sich verwundert die Augen. „Das ist doch selbstverständlich, dass man sich über ein so weitreichendes, großes Projekt besprechen will“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Möbus. Er meine, dass sich nicht nur der Stadtentwicklungs-, sondern auch der Bildungsausschuss ein Bild machen müsse. „Es gab bislang nur die nicht öffentlichen Präsentationen in den Ortsbeiräten von Niederlehme und Wernsdorf“, so der Abgeordnete. Beide stimmten nach Auskunft der Stadtverwaltung der Vorlage zu. „Jetzt müssen sich auch die Abgeordneten über die Folgen für die Infrastruktur wie zum Beispiel die Schul- und Kitaentwicklung austauschen.“

Auch die Stadt bestätigt: „Es gab keinen Austausch zum Inhalt der Beschlussvorlage mehr.“ Aus ihrer Sicht stehen aber „den Stadtverordneten alle Informationen zur Verfügung, die sie für ihre Entscheidung brauchen. Sie hatten ausreichend Zeit, sich damit zu beschäftigen.“ In Rede stehen, so teilt die Stadt mit, bis zu 200 Wohneinheiten sowie Gewerbeansiedlungen. „Denkmalgeschützte Gebäude werden integriert. Bau- und Gewerbetypologien wurden beschrieben. Das Wegesystem ist entworfen, die Erschließung geplant. Eine soziale Durchmischung ist das Ziel.“ Die Nachfragesituation von Investoren sei sehr hoch.

„Wenn so ein großes Interesse besteht, umso besser“, sagt der Vorsitzende des Stadtenwicklungsausschusses Tobias Schröter von der SPD-Fraktion. Aber umso mehr sei es geboten, dass sich die SVV gründlich mit den zukünftigen Entwicklungen vor Ort beschäftigt. „Niemand blockiert. Niemand stellt in Frage, dass dort eine Vermarktung statt finden soll. Wir haben die Vorlage nicht abgelehnt, wir wollen darüber sprechen. Dafür sind die Ausschüsse da“, sagt er. Seit dem Beschluss des Bebauungsplanes vor sechs Jahren habe es zahlreiche Entwicklungen gegeben. Viele Abgeordnete seien seitdem neu im Parlament. „Wir müssen uns doch mit den aktuelle Fragen des Verkehrs und der sozialen Infrastruktur im Parlament beschäftigen. Diese Eile, dieser Druck, dieses Hochkochen eines normalen Vorgangs durch die Stadtverwaltung ist mir völlig unerklärlich.“ TM