Tierisch was los

Jetzt steigt die Zahl der Wildunfälle auf märkischen Straßen

Letzte Woche ist auf der B 179 zwischen Wildau und Zeesen ein Wildschwein in ein Auto gerannt, zwei weitere Fahrzeuge konnten nicht mehr bremsen und fuhren in den Unfall. Der Schaden war beträchtlich. Täglich kommen entsprechende Meldungen  – vor allem aus dem Südkreis. Doch nicht nur von hier: Alle zwei Minuten kollidiert ein Wildtier in Deutschland mit einem Auto! So jedenfalls rechnerische Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Rund 250.000 Kollisionen von großen Wildtieren mit Kraftfahrzeugen gibt es pro Jahr auf deutschen Straßen, sagt die Versicherungswirtschaft. Und jetzt ist die Gefahr noch größer geworden. Denn seit der  Zeitumstellung Ende Oktober sind jetzt viele Menschen mit dem Auto in der Dämmerung unterwegs. Gerade dann, wenn große Wildtiere auf Futtersuche gehen. Letzte Woche mit der Zeitumstellung meldete die Polizei eine Rekordzahl von mehr als 60 Wildunfällen innerhalb von 24 Stunden auf Brandenburgs Straßen. Normalerweise sind es 40 bis 45 Unfälle täglich durch Zusammenstöße mit den Wildtieren.

„Egal, wie oft die Menschen an der Uhr drehen – Wildtiere kennen keine Zeitumstellung“, so Dr. Andreas Kinser, Jagd- und Forstreferent der Deutschen Wildtier Stiftung. „Der Biorhythmus von Rothirsch und Reh oder Wildschwein und Fuchs orientiert sich vor allem am Sonnenstand – und in der Dämmerung sind sie nun mal besonders aktiv“. Durch die Zeitumstellung sind die Hauptverkehrszeit und die Hauptaktivitätsphase der Wildtiere identisch – und damit plötzlich eine tödliche Gefahr: „Autofahrer müssen jetzt in den frühen Abendstunden unbedingt mit Wildwechsel rechnen und vorbereitet sein“, sagt Kinser. „Besonders risikoreich sind Waldbereiche und Wald- und Feldübergänge“, so der Experte der Deutschen Wildtier Stiftung. Auch entlang der letzten Maisfelder gilt es, langsam zu fahren. Wildschweine gehen hauptsächlich in den Dämmerungs- und Abendstunden auf Futtersuche, weil sie sich dann nicht mehr gestört fühlen. Wenn die Tage kürzer werden und die immer größer werdenden Maisfelder abgeerntet sind, sind die Tiere mehr in Bewegung, um sich neue Futterquellen zu suchen. Die Zahl der Wildunfälle steigt:  2016 gab es insgesamt 16 495 Zusammenstöße mit Wildtieren, 2015 waren es 15 971 Kollisionen. Eine Ursache des vermehrten Wildwechsels und der Unfälle ist trotz intensiver Bejagung auch die Zunahme des Wildbestandes in märkischen Wäldern und Fluren. Sie scheinen ein wahres Wild-Eldorado zu sein und gedeihen hier prächtig. Ein Indiz: Die Jagdstrecke, die Zahl der von Jägern erlegten Tiere. In der Saison 2016/2017 haben die Jäger insgesamt knapp169000 Rothirsche, Damhirsche, Mufflons, Rehe und Wildschweine erlegt. Allein fast  77000 Wildschweine brachten  die Jäger 2016/15 zur Strecke.

Viele Wildunfälle könnten verhindert werden, wenn Autofahrer die Gefahr von Wildwechsel rechtzeitig erkennen. Kinsers persönlicher Tipp: „Beobachten Sie in gefährdeten Bereichen den Straßenrand! Wenn reflektierende Punkte, also die Augen von Wildtieren, oder gar eine Tiersilhouette auftauchen, sollten Sie sofort abbremsen und abblenden!“ Und: Überquert ein Tier die Straße, folgen häufig weitere. Nässe und Laub verlängern außerdem den Bremsweg.

„Kann ein Zusammenprall nicht vermieden werden, versuchen Sie niemals auszuweichen“, rät der Experte noch. Eine Kollision mit Straßenbäumen oder gar dem Gegenverkehr hat für Autofahrer deutlich schlimmere Folgen als der Zusammenprall mit einem Wildtier. Wenn es zu einem Wildunfall gekommen ist, sollte der Autofahrer in jedem Fall die Polizei benachrichtigen – auch, wenn das angefahrene Wildtier noch lebt oder verschwunden ist. Denn die Polizei informiert den zuständigen Förster oder Jäger, der das Tier sucht und von seinem Leid erlöst. Außerdem stellt die Polizei eine Bescheinigung über den Wildunfall aus, damit der Autofahrer den entstandenen Schaden über seine Kaskoversicherung begleichen lassen kann. „Dabei können die Schäden am eigenen Fahrzeug beachtlich sein“, betont Kai Rinka, Sprecher des Bezirks Wildau im Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). „Doch die meisten sind über die Teil- oder Vollkaskoversicherung gedeckt. Zur Vermeidung von Schwierigkeiten sollten Wildschäden aber unverzüglich bei der Polizei oder der Forstbehörde gemeldet werden und natürlich auch bei der Versicherung oder dem betreuenden Versicherungsvermittler.“ Nach einem Wildunfall ist es erforderlich, dass die Polizei oder die Forstbehörde eine so genannte Wildschadensbescheinigung ausstellt, nur bei Kleinschäden kann darauf verzichtet werden.

Im Rahmen der Teilkasko werden aber nur Fahrzeugschäden ersetzt, die durch einen Zusammenstoß des Fahrzeugs mit Haarwild, definiert nach Bundesjagdgesetz, entstanden sind. Zum Haarwild gehören beispielsweise Wildschwein, Reh, und Hirsch. Unfälle mit Federvieh sind nicht bei allen Versicherungen eingeschlossen, auch nicht Schäden durch Pferde und Ziegen, sie sind zwar behaart, aber nicht wild. „Durch die Vielzahl der Teilkasko-Tarife gibt es aber inzwischen auch ‚Teilkasko-light’-Versicherungen, die selbst Schäden durch Haarwild nicht regulieren“, informiert Rinka, „und solche, die Kollisionen mit Tieren erst bei Zusatzbeiträgen einschließen.“

Wird der Schaden nicht durch das Wild direkt verursacht, sondern entsteht er durch einen Ausweichversuch ohne Berührung mit dem Wild, können trotzdem Leistungen von der Teilkaskoversicherung als so genannte „Rettungskosten“ gefordert werden. Allerdings muss der Geschädigte den Nachweis führen, dass sich Wild auf der Fahrbahn befunden und damit die unmittelbare Gefahr eines Zusammenstoßes mit dem Kfz bestanden hatte. Dies setzt voraus, dass Zeugen oder Fotos für den Schadenshergang beziehungsweise im Falle einer Berührung mit dem Wild, Spuren (Haare, Blutreste) vorhanden sind. Darüber hinaus muss die Rettungshandlung auch objektiv sinnvoll gewesen sein. Bei kleineren Tieren (z. B. Hase, Marder, Fuchs) ist nämlich nach der geltenden Rechtsprechung ein selbstgefährdendes Ausweichen nicht zulässig.

„Anders sieht es bei einer Vollkasko-Versicherung aus“, so Versicherungsexperte Rinka. Überdies steht die Vollkasko auch für Schäden gerade, die durch andere Tiere (wie beispielsweise Federvieh) verursacht wurden, allerdings leider mit prompter Rabattrückstufung, was zu höheren Prämienzahlungen führt. „Bei Klein- oder Bagatellschäden, sollte man daher vorher durchrechnen, ob sich eine Schadensanzeige bei der Versicherung überhaupt lohnt.“ Auch Hartgesottene sollten aufpassen: Denn die Aneignung von überfahrenem Wild zum Zwecke des Verzehrs erfüllt den Straftatbestand der Jagdwilderei.

RED;
Deutsche Wildtier­stiftung;
D
eutsche Versicherungswirtschaft
F: Deutsche Wildtierstiftung, Versicherung

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