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Verzichtbarer Schwachsinn

Einmal werden wir noch wach – dann ist es da: das „wohl härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben“! NRW-Ministerpräsident Laschet stimmte uns schon lange vorher darauf ein und entwarf ein apokalyptisches Bild: Weihnachten wird ganz, ganz schlimm! Wenn nicht noch schlimmer! Nicht wegen Corona, sondern weil es – von Schockdown war da noch gar nicht die Rede – es „Verzicht bedeuten“ wird. Verzicht! Nicht mal in der DDR-Mangelwirtschaft hatten wir den in Größenordnungen! „Das härteste Weihnachten“ – die Kriegsgeneration würde sich schlapplachen über solchen Unsinn. Aus den Erzählungen meiner Großeltern weiß ich, dass sie Weihnachten 1946 in Brandenburg gefroren und nur das Notwendigste zu essen gehabt haben. Mein Vater hat damals in russischer Kriegsgefangenschaft kaum was zu essen gehabt, schlimm gehungert und gefroren.

Verzicht zu Weihnachten gab es schon früher. Auch Jesus hat nur im kleinen Kreis gefeiert. Also nicht wirklich gefeiert – er wurde als Neugeborener begrüßt. In der Heiligen Schrift, bei Johannes 22, steht geschrieben: „Und nur einer der Heiligen Drei Könige hatte Besuchsrecht.“ Und das bei Jesus! Und 2020 gibt es eben auch nur einen kleinen Familienkreis. „Dieses Jahr ist Weihnachten nicht nur mit großem Verzicht, sondern auch mit – man stelle es sich nicht vor – mit Rücksichtnahme verbunden.“ So der Populist Laschet. Ja und? Ist Rücksichtnahme eine schwere Bürde, weil die nur noch wenige kennen? Und Verzicht – woran fehlt es uns? An Klopapier, warmen Wohnungen, Essen und Trinken? Haben wir nicht alle genug auf den Tellern und im Glas? Die meisten haben doch vor Weihnachten genug rangeschafft! Wer will, hat einen schönen Gänsebraten auf dem Tisch. Und vielleicht sitzt eine Gans mit Dauerwelle neben einem am Familientisch…Dieses Weihnach­ten erfordert halt ein bissel Rücksichtnahme. Einmal im Jahr. Klar ist es schlimm, das höchste Fest der Nächstenliebe wegen der Coronabeschränkungen nicht mit allen aus der Familie, sondern nur im kleinen Kreis und weniger Geschenken feiern zu können. Liebe Deinen Nächsten. Und wenn dieses Jahr kein Nächster da ist zum Lieben – dann eben den Übernächsten!! Aber was haben wir nicht all die Jahre manchmal gestöhnt, wenn zum Fest die Mischpoke, die ganze bucklige Verwandtschaft, vor der Tür stand. Darauf kann man doch mal verzichten. Worauf sonst? Auf das Rumgerenne nach Geschenken, das „koofen, koofen, koofen“ wie wir es panikartig noch kurz vor dem Einkaufsdown erlebten. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Aber auch Tage der Völlerei und des Trinkens, der Gefühlsduselei, des Verteilens und der Annahme von Geschenken, öffentlichem Stumpfsinn und des häuslichen Protzens. Es ist ein Fest, das viele Lügen kaschiert. Eins, bei dem der Familienfrieden bemüht wird. Oft endet es auch mit handfesten Familien-Streit unterm Lichterbaum. Darauf kann man wirklich verzichten. Oder?

Laschets Äußerungen vom Verzicht zeigen historische Defizite, mangelnde Volksnähe und eine völlige Fehleinschätzung menschlicher Fähigkeiten. Was sollen die Menschen auf Lesbos sagen, wo alles viel schlimmer ist und in Afrikas Elendsvierteln, in Frankreich und Italien, wo es ein generelles Ausgangsverbot gibt? Und wir machen ein Gedöse, weil wir etwas Verzicht üben sollen. Laschet ist wie sein Konkurrent Merz einer von denen in der Politik, die den Verstand einschalten sollten, bevor sie den Mund aufmachen. Merz sagte unlängst: „Es geht den Staat nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: Natürlich ginge den Staat die private Feier an Heiligabend etwas an. „Der Staat muss das Interesse der Gemeinschaft wahren“, erklärt der SPD-Mann. Merz will ja Kanzler werden. Ist so ein Arrogantling wie er mit dieser Ego-Einstellung für das Amt geeignet? Auf die Dümmlichkeitsplattitüden von Laschet und Merz können wir gut und gern verzichten. Und auf die beiden auch. Die zwangsverordnete Weihnachts-Ruhe, das Kontaktfasten, ist eine Chance auf Entschleunigung. In diesem Sinne: Kommen Sie ansonsten gut durch Coronachten! Trotz des Verzichtens: Ihnen gute Weihnachtstage! Ein ebensolches neues Jahr auch!

Und was ich noch an(Mark)en wollte: Ne jut jebratne Jans is ne janz jute Jabe Jottes! Und überhaupt.

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