Vorbei das neudeutsch-modische Umarmen mit jedem und jeder, wenn man sich begrüßt. Und auch das Bussibussi-Getue. Jetzt wird wieder richtig gegrüßt. Auf deutsche Art mit ehrfurchtsvollem Nicken des Kopfes: „Freundschaft!“ Oder bei Atheisten: „Gott zum Gruße!“ Wir sollen mindestens eineinhalb Meter Abstand zueinander halten. Mach ich. Ich halte sogar Abstand zu mir selbst: Manchmal stehe ich sozusagen neben mir. Dann bekomme ich zum Glück auch nicht mit, welcher Mist in die Welt gesetzt wird. Mal stünden die Viren direkt vor der Tür, dann gibt es sie gar nicht. Und alle Informationen immer mit dem eindringlichen Rat: Teilt die App! Stammtischparolen, Gerüchte und Verschwörungstheorien machen die Runde. Die Viren seien doch sowieso Experimente der Regierungen an Volk, der Wirtschaft, den Banken und der Grenzpolitik zur Kriegsvorbereitung! Dann wieder soll es das Virus schon seit Jahren geben, weil ja angeblich schon lange Coronamedikamente auf dem Markt wären. Jetzt könne man damit Profit machen. Jeden Tag wird eine andere Propagandasau durchs Dorf gejagt. Was aber bitterer Ernst ist: Man muss die Coronawarnungen ernst nehmen! Einige Idioten tun das nur immer noch nicht: Bleibt mit dem Arsch zuhause! Natürlich ist es schlimm, dass viele jetzt keine Arbeit haben und um ihre Existenz fürchten müssen. Sogar der Verband der Tag-Einbrecher befürchtet in der Branche drastische Einbruch-Umsatzverluste. Denn durch die Quarantäne bleiben die Leute tagsüber zuhause. Das mache es den Einbrechern schwierig, ihr Tagwerk zu verrichten. Sie leben vom Tagesgeschäft und können kaum noch Rücklagen bilden. Auch die Gewerkschaft gewerbsmäßiger Taschendiebe beklagt für ihre Leute schlechte Zeiten: „Leere Bahnhöfe, geschlossene Warenhäuser und verwaiste Touristenhotspots sind schlecht fürs Geschäft.“ Man müsse sich wohl bald auf Kurzdiebstahl umstellen. Auch die Einkaufs-Hamsterer finden immer weniger Nahrung. Im Erlkönig-Gedicht des WDR, das ich in der Rhein-Zeitung fand, heißt es: „Wer hamstert so spät bei Nacht und Wind / Es ist der Deutsche, der wieder spinnt / Er hat die Nudeln wohl in dem Arm / und Klopapier für seinen Darm.“ (Zu hören unter www.ku-rz.de/erlkoenig). Die Regierung sollte auch da schnell reagieren: Es gibt in Deutschland schließlich ein Grundrecht auf Toilettenpapier! 3-lagiges! Toilettenpapier hamstern – eine Scheiß Unart der Deutschen! Zu DDR-Zeiten konnte man noch verstehen, mehr haben zu müssen, weil immer ein Durchschlag nach Moskau geschickt werden musste! Vielleicht gibt es ja in Deutschland mehr Armleuchter als in anderen Ländern – man weiß es nicht genau. Meine Kollegin Elli meinte belustigt, wir sind hier im falschen Land: Wir hamstern Klopapier, in Frankreich dagegen würden Vorräte an Kondomen und Rotwein rangeschafft. Und in Schottland Whisky. Aber es gibt auch echt Erfreuliches. Letzte Woche stand in einem KWer Supermarkt ein junges Mädchen vor mir, als ich mir gerade Stickgarn und Wischtücher kaufen wollte. Sie rief mir über die anderthalb Meter-Distanz zu: „Wollen Sie vor? Ich habe ja Zeit. Bin ab morgen daheim. Kurzarbeit in der Firma.“ Ich rufe zurück: „So toll ist das aber auch nicht. Was machen Sie dann den ganzen Tag?“ – „Erst mal gründlich aufräumen. Lesen. Und dann gehe ich nach Senzig, will beim Tiergarten Bärlauch sammeln. Da kann ich prima Bärlauchpesto zubereiten. Dazu wäre ich sonst nicht gekommen.“ Hat eben alles auch seine guten Seiten. Wie auch, dass die Drogendealer beim Fontaneplatz in KW verschwunden sind. Sie sind ebenfalls auf Home Office umgestiegen. Was ich persönlich schade finde: Auch die Kinos wie das CineStar oder das Capitol haben die Leinwand-Vorhänge zugezogen, Sportstudios dichtgemacht. Und wie ich las, ist in Berlin sogar eine Erotikmesse abgeblasen worden. Aber es gibt ja noch die Märkischen Schönen hier im Kurier anzuschauen.
Halten Sie Abstand! Und überhaupt.
Ange(mark)t Wer hamstert so spät?