In meinem Zeesener Discounter hörte ich neulich, wie eine knapp aus der Azubinen-Bluse herausgewachsene Mitarbeiterin zu einer älteren Dame sagte: „Was suchst Du denn? Kann ich Dir helfen?“ Die ältere Frau irritiert: „Wer denn?“ – „Na, Du, junge Frau!“ In den Grundschulen ist es mittlerweile üblich, dass die Knirpse ihre Lehre:Innen mit Du anreden. „Du, heb mir doch mal den Stift auf!“ Auf die Idee wäre ich zu meiner Schulzeit anno dunnemals nie gekommen. Weil ich wusste, was sich gehört, weil ich Respekt vor den Älteren hatte und habe und weil mir meine Eltern das so beigebracht hatten. Heute verduzt Deutschland. In Katalogen, Schreiben von Firmen oder in Anreden. Wie bei IKEA. Das „Du“ klingt bei dem Unternehmen lustig und nach Nähe, ist ja in Schweden auch üblich. Aber bei uns hier? Da klingt es nach Anbiederung, einfach unhöflich Älteren gegenüber. In der Ehemaligen wurde ja auch furchtbar geduzt. Das wirkt nach bis heute und ist nur peinlich. Die Partei, die immer recht zu haben glaubte, hats angefangen – Du, Genosse! – und dann natürlich die Blauhemden haben es nachgemacht. Bei der Fahne waren auch alle Genossen, aber per Sie. Unser Spieß sagte immer: „Ihnen da, mit Sie muss ich reden!“ Aber der wusste das nicht besser. Der meinte auch, eine Anrede mit Du Blödmann ist vertrauensvoll, Sie Blödmann eine Beleidigung. Meine Mutter sagte mal zu einem Jungschnösel auf einem Amt, der sie duzte: „Habe ich Ihnen beim Schweinehüten geholfen, dass Sie mich duzen?!“
In Nachwendezeiten benutzten Geschäftsleute, die besonders fein sein wollten, das höfische Er in der Anrede: „Was möchte Er? Wie gefällt Ihm das hier?“ Oder die Kellnerin zum Gast: „Hat Sie sich schon entschieden?“ „Hat es Ihm geschmecket?“ Oder:„Wie geht es Sie denn?“ Ich sage dann: „Mir gut – und Sie so?“ Na, und Du so? Du Leser! Komm gut über den Sommer.“ Und überhaupt.