Ferienzeit ist Ostseezeit. Früher immer, jetzt wieder. Und was waren das damals für Zeiten: Als die Ostsee noch eine Ost-See war. Wo wir aus der Ehemaligen unter uns waren. Und wir badeten, wie es uns in den Sinn kam. In unseren ausgeleierten Baumwollbadesachen oder meistens einfach nackig. Frei nach Friedrich den Großen: jeder nach seiner Fasson. Wir standen in der HO-Kaufhalle an, wenn es Bier gab, Grillfleisch oder Räucheraal. Sollte ein Witz sein. Als dann die Mauer fiel, war an unserer plattdeutschen Küste eine Weile alles noch ziemlich beim Alten. Die Dörfer sahen immer noch renovierungsbedürftig aus, in den Supermärkten gab es jetzt zwar mehr, aber nur Westiges. Doch dann, besonders als die neue Autobahn A 20 fertig wurde, wurde der Osten überrollt. Die Brüder und Schwestern von jenseits fielen wie sonst die Mückenschwärme über unsere Küste her. Die Nordsee war ihnen zu teuer geworden. War ja auch toll: Der liebe Gott hatte es bei seiner Schöpfung mit unserer naturechten Ostseeküste besser als mit der jenseitigen gemeint – so wie die deutsche Geschichte mit dem Westen. Auf dem Urlaubsfeldzug der Bundis gen Osten mussten wir zuerst Warnemünde, dann den Darß kampflos gegen das Geld aufgegeben. Genauso Rügen. Auch die Berliner Badewanne, Usedom, war nicht zu halten. Dort fiel auch die letzte Bastion vor Polen in die Hände der Linkselbischen. Sie mieteten uns die Strandkörbe weg, halten seitdem beim Fleischer oder wie sie sagen beim Schlachter meckerig alles auf, weil sie unsere Sprache oder unsere Uhrzeit – dreiviertel Neun statt än Viertele vor Nein – nicht verstehen. Beim Bäcker schwätzen sie nur von Wecken und bei jedem Sesamkorn auf den Brötchen müssen sie klären, woher es kommt und ob es garantiert Bio ist. Prüde Altbundesbürger mit ihrer latenten pietistischen Verdrucktsheit und ihrer übertriebenen Schamigkeit ließen mit Hilfe willfähriger Gemeindevertretungen überall Schilder am Strand hinstellen, dass man oder frau seine selbst hängenden Hintern, Wänste oder Busen in Badesachen zu quetschen habe. Für FKK gibt es nun nur noch kleine – im wahrsten Sinne des Wortes aus-gewiesene Eckchen. Inzwischen gehören den neuen zahlungsbemoosten Sommergästen die Villen an den Strandpromenaden der Ostseebädern oder diese schon ganz und gar. Man kennt die nicht wieder. Weg ist der urige Charme der alten Ostseeorte. Die schönsten Ecken sind zugeklotzt mit unpassenden protzigen Villen im Landhausstil und jeder Menge Supermärkten, jede kleine Kahnanlegestelle ist plötzlich eine Marina. Es müssen an jeder Ecke Gebühren für alles und nichts berappt werden, an jedem Feldweg steht ein Parkautomat. Überall wird einem in die Tasche gelangt. Sogar am FKK-Strand. Zimmer- und Gaststättenpreise stiegen exorbitant. In Warnemünde ist es teurer als auf Sylt, so dass sich viele Ossis ihr Ostseeparadies inzwischen nicht mehr leisten können. Verschwunden am Strand das sächsische Sprachgezätsche. So beim Sonnenuntergang: „Gugge mah, mei Gudster, wie de Sonne ins Meer neididschn dud!“ Oder wenn die Frau Gemahlin mehr Aktivität beim Sex will: „Nu wuckel moal feste, mei Guddel!“ Geschwätzt wird nun meischd Schwäbsch: „Heiligsblechle: Onder em Euro därf ’s koschta, was will.“ Die Ostsee ist eine Westsee geworden. So isch es. Wie sang einst Nina Hagen in ihrem Lied vom vergessenen Farbfilm: „Nun glaubt uns kein Mensch, wie schön’s hier (mal) war, ha-ha, ha-ha..“ Ha-ha. Und überhaupt.
Ange(mark)t Wie schön es hier war