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Wir alle sind Profis genug, um Konflikte zu lösen

FWKW-Bürgermeisterkandidat Swen Ennullat sagt im Gespräch mit dem KaWe-Kurier, 
warum er erneut für das Amt kandidiert

KaWe-Kurier: Sie sind vor gut drei Monaten als Bürgermeister von Königs Wusterhausen mit deutlichem Ergebnis abgewählt worden. Was hat Sie dazu bewogen, erneut für das Amt zu kandidieren?

Swen Ennullat: Die Kampagne zur Abwahl wurde mit Unwahrheiten geführt, wie die Stadt in ihrer Pressemitteilung vom 5. Mai 2021 mitteilte. Die Wähler wurden getäuscht Ich erhielt deshalb sehr viel Zuspruch, darunter von Menschen, von denen ich so große Sympathien nie erwartet hätte. Viele hatten Mitgefühl für mich und meine Familie und waren entsetzt. Die Vorwürfe sind jetzt ausgeräumt. Entscheidend für meine erneute Kandidatur war letztendlich meine Familie, die mich in meinem Entschluss bestärkte. Ich habe große Demut vor dem Bürgermeisteramt. Zugleich ist es für mich der beste Job der Welt.

Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe für Ihre Abwahl?

2017 trat ich mit dem Versprechen einer parteiunabhängigen Politik an. Das bedeutet: gleiche Regeln für alle. Natürlich war dieser Weg für einige sehr unbequem. Nach 27 Jahren DIE LINKE / SPD in KW waren Strukturen verfestigt. Strukturen, die in ganz Brandenburg und vor allem im Landkreis LDS tief verwurzelt sind. Meine Wahl war ein tiefer Einschnitt in diese Strukturen. Das wollten einige nicht hinnehmen und sie behinderten die Arbeit der Stadtverwaltung unter meiner Führung. Meine Zwangsbeurlaubung durch Teile der SVV beispielsweise wurde vom Verwaltungsgericht Cottbus als unbegründet kassiert. Ich setzte bei der anstehenden Wahl auf den gesunden Menschenverstand der BürgerInnen in unserer Stadt.

Also sind Sie an den alten Strukturen gescheitert und haben selbst keine Fehler gemacht?

In der SVV bestehen die alten Strukturen teilweise noch immer. Die Bürgerschaft in unserer Stadt verändert sich jedoch rasant. Oft passt beides nicht zusammen. An den aktuell verhärteten Fronten mit Teilen der SVV habe ich ganz klar eine Mitschuld. Das werde ich ändern: mit Sacharbeit und deutlich verstärkter sachlicher Kommunikation. Damit sich jeder Bürger ein eigenes Bild machen kann über das jeweilige Pro und Contra eines Problems. Und selbstverständlich akzeptiere ich Entscheidungen.

Warum sollten die Königs Wusterhausener Bürgerinnen und Bürger Sie so kurz nach Ihrer Abwahl erneut zum Bürgermeister wählen?

Weil ich nach wie vor unabhängig und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet bin. Weil ich verlässlich für unsere Stadt einstehe. Und schließlich, weil ich genau das studierte, was ein Bürgermeister braucht und seit vielen Jahren Führungserfahrung habe. Viele KollegInnen sagen mir, dass ich die Verwaltung mit ihren 550 Mitarbeitern effizient aufgestellt und klug geführt habe. Das möchte ich fortsetzen. Ein politisches Aufblähen der Verwaltung mit drei zusätzlichen Beamten in Bürgermeisterposition, wie es die Kandidatin vom „Bündnis 21“ auf ihrer Antrittsrede verkündet hat, lehne ich ab. Ich bin jenseits von Klientel-Politik. Mein Ziel ist eine gerechtere Stadt, in der die Interessen jeder Gruppe ernst genommen werden. Ein gesundes Maß an Wachstum zu finden, ist eine Aufgabe, an der alle BürgerInnen beteiligt werden sollten.

Schauen wir zurück auf Ihre dreijährige Amtszeit als Bürgermeister! Auf welche Erfolge können Sie verweisen und welche Entscheidungen würden Sie heute im Rückblick anders treffen?

Die Bau-Investitionen wurden vervielfacht, 500 Kita-Plätze geschaffen, 90 zusätzliche ErzieherInnen eingestellt, die Kita-Beiträge halbiert, der städtische Hafen saniert, die hauptamtlichen Kameraden der Feuerwehr verbeamtet, Sportanlagen rekonstruiert, die Badestelle Senzig gerettet und der Neubau der Grundschule Zeesen begonnen – um nur einige Beispiele zu nennen. Dies alles geschah, ohne neue Schulden aufzunehmen. Vielmehr haben wir sogar durch intelligentes und nachhaltiges Wirtschaften Schulden abgebaut. Ausdrücklich bedanken möchte ich mich bei meinen ehemaligen MitarbeiterInnen der Verwaltung, die diesen großen Kraftakt gemeinsam gestemmt haben. Eine exzellente Team-Arbeit trotz Corona-Krise. Darauf können alle zu Recht stolz sein.

Am Ende Ihrer Zeit als Bürgermeister ging ein tiefer Riss durch Politik und Bürgerschaft. Wie wollen Sie – wenn Sie wieder zum Bürgermeister gewählt werden sollten – dazu beitragen, dass Gräben wieder überwunden werden und sich ein neues Wir-Gefühl entwickeln kann?

Das „Wir-Gefühl“ unserer Stadt, von dem Sie sprechen, lebt. Zum Beispiel in der Nachbarschaft, in Vereinen, zwischen KameradInnen der Feuerwehr, in Sport und Kultur. Es gibt tolle gemeinsame Projekte und Aktivitäten. Ein „Wir-Gefühl“ in der Politik setzt gemeinsame Werte voraus. Aufgabe des Bürgermeisters ist es, sich neutral zu verhalten und zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen zu vermitteln. Grundsätzlich hat jeder Stadtverordnete das gleiche Recht auf Rede und Anhörung. Ich behandle die Menschen so, wie ich von ihnen behandelt werden möchte, egal, welchen Status oder welches Ansehen sie haben. Das ist meiner Ansicht nach die beste Grundlage für ein „Wir“.

Ohne eine gute Zusammenarbeit zwischen Rathaus und SVV ist eine zielorientierte Lokalpolitik nicht möglich. Wie wollen Sie das zerrüttete Verhältnis zwischen Ihnen und der Mehrheit in der SVV überwinden?

Der Bürgermeister führt die Verwaltung und repräsentiert die Stadt. Die Zusammenarbeit mit der Stadtpolitik habe ich dabei vernachlässigt und das werde ich ändern. Aktuell stehe ich am Spielfeldrand und beobachte, dass die Gräben zwischen einigen Mitgliedern der SVV untereinander und zur Verwaltung tiefer werden. Das müssen wir zusammen verändern. Wir alle sind Profis genug, um Konflikte zu lösen und stehen gemeinsam in der Verantwortung gegenüber den BürgerInnen.

Ich bin ein Pragmatiker und dachte, guten Leistungen sprechen für sich selbst. Wir wollen nicht vergessen: 99 Prozent aller Beschlüsse der SVV wurden umgesetzt oder sind in Vorbereitung. Es gibt nur wenige Problemfälle. Für diese Probleme, die oft kontrovers diskutiert und meiner Meinung nach medial überhöht werden, möchte ich eine neue Entscheidungs-Plattform ins Leben rufen: das Bürgervotum. Denn das schnelle Wachstum unserer Stadt verlangt den ständigen Abgleich mit dem Bürgerwillen. Und das zwingt uns dazu, klar und für alle verständlich das jeweilige Pro und Contra zu benennen. Das Bürgervotum kann sicher und anonym für jeden Bürger mit dem persönlichen PIN des Ausweises realisiert werden. Ein in meinen Augen sehr gutes Instrument der direkten Demokratie.

Das müssen Sie uns näher erklären. Wann soll dieses Bürgervotum zum Einsatz kommen?

Nehmen wir zum Beispiel das Schulproblem in Wernsdorf. Wernsdorf braucht dringend eine Schule. Ein Neubau würde einen zweistelligen Millionenbetrag kosten und stünde frühestens in acht Jahren zur Verfügung. Allerdings hat die Stadt kein geeignetes Grundstück. In Wernsdorf gibt es jedoch bereits eine Schule mit Turnhalle und weitläufigem Außengelände im Eigentum der Stadt. Sie wurde vor zehn Jahren an einen privaten Träger extrem günstig vermietet. Ein Minusgeschäft für die Stadt, die den Unterhalt finanziert. Den auslaufenden Mietvertrag wollte ich in dieser Form nicht verlängern und einen neuen Standort für die private Schule in unserer Stadt ermöglichen. Das „Bündnis 21“ lehnt das ab. Für mich bedeutet soziale Gerechtigkeit aber, die vorhandene Schule für alle nutzbar zu machen, denn die Pflichtaufgabe der Stadt steht vorrangig gegenüber dem Angebot an den kostenpflichtigen Privatschulen. Zu diesem Thema würde ich gern ein Bürgervotum starten – Neubau durch Kreditaufnahmen oder Kündigung des Mieters.

Also immer dann, wenn Sie als Bürgermeister und die SVV-Mehrheit nicht zusammenkommen, wird ein Bürgervotum gestartet?

Nein. Aber bei Grundsatzentscheidungen, die alle betreffen. Das Bürgervotum ist aus meiner Sicht geeignet, die Last von den Schultern der ehrenamtlichen Stadtverordneten zu nehmen. Und es hat mit Generationengerechtigkeit zu tun. Denn gerade, wenn es um hohe Investitionen geht, geht es um Flächenverbrauch und die Rückzahlung von Millionenkrediten.

Viele Bürgerinnen und Bürger waren gerade wegen Ihrer Schulpolitik enttäuscht, engagierten sich in Bürgerinitiativen und brachten sogar Petitionen mit mehreren Tausend Unterschriften auf den Weg. Dabei ging es auch um den Bau des neuen Schulcampus in Senzig und die Erweiterung der Grundschule in Zernsdorf. Haben Sie dazu inzwischen andere Positionen?

Ich will nach wie vor den Schulneubau in Senzig. Er ist nötig. Die SVV hat 2018 die Errichtung auf einem städtischen Grundstück in der Ringstraße beschlossen. Diese Entscheidung hat Gültigkeit und ist durch die Verwaltung umzusetzen. Der Ortsbeirat lehnte jedoch das Baurecht an diesem Standort ab. Argument sowohl Pro als auch Contra ist die zentrale örtliche Lage. Den einen freut der kurze Weg, den anderen stört der Krach. Als Alternative sehen einige den Bullenberg. Das Grundstück ist jedoch im Privatbesitz und müsste teuer gekauft werden. Der Landkreis lehnte das Baurecht ab. Erhebliche Kostentreiber des Neubaus am Berg wären zudem Baugrund und Entwässerung. Mein Maßstab für die Entscheidung ist Wirtschaftlichkeit und gerechte Verteilung der Mittel. Das bedeutet: Bauen in der Ringstraße. Es kann sofort losgehen. Die Erweiterung der Grundschule in Zernsdorf hat nach dem von mir in die Wege geleiteten Bildungs-Infrastruktur-Plan jetzt eine sachliche Datengrundlage. Wir kennen nun die Bedarfe für Schule und Hort. Parallel hat die Verwaltung die Erlangung des nötigen Baurechts vorangetrieben und zusätzliche Grundstücke erworben. Fehlt noch das Votum der SVV über Neubau oder Anbau, Waldrodung und finanzielle Mittel.

Welche dringenden Aufgaben stehen Ihrer Meinung nach noch vor dem Rathaus und der Stadtverordnetenversammlung? 

Ich habe die Erarbeitung des Bildungs-Infrastruktur-Plans beauftragt. Das Ergebnis liegt vor. Unsere Einwohnerzahl wächst in den nächsten zehn Jahren um etwa 25 Prozent. Das Wachstum sensibel zu gestalten, dabei das Wohl aller BürgerInnen im Auge zu behalten und unsere unverwechselbare Natur zu erhalten, ist die größte Herausforderung. Brandschutz und Bildung werden bei baulichen Investitionen dabei Vorrang haben müssen. Umfassende Digitalisierung und eine Verbesserung von ÖPNV müssen schneller vorangetrieben werden. Mobilität bedeutet Freiheit. Die Neuausrichtung des Rathauses als Dienstleister für die BürgerInnen muss fortgesetzt werden. Das Vereinsleben gehört gestärkt und der heimische Mittelstand gefördert. Mein Ziel sind hochwertige Arbeitsplätze, zum Beispiel in Forschung und Entwicklung, und nicht riesige Lagerflächen oder Logistikzentren. Für mich ist die Entlastung der BürgerInnen zentral. Dazu gehören beispielsweise: niedrige Kita- und Hortbeiträge – möglichst Beitragsfreiheit, kostenlose Mittagsversorgung für unsere Kinder, stabile Mieten und sozialer Wohnungsbau. Betroffene Anlieger sollen selbst mitentscheiden können, ob und wie die so genannten „Sandpisten“ ausgebaut werden sollen. Deren Herstellungskosten sind nicht gerecht verteilt. Das gehört geändert. Gemeinsam mit den Stadtverordneten.

Zum Schluss noch etwas Persönliches: Was mögen Sie besonders an Königs Wusterhausen?

Für meine Familie und mich ist Königs Wusterhausen der schönste Ort der Welt. Hier wachsen unsere Kinder auf, hier fühlen wir uns zuhause. Die Menschen in meiner Nähe, der Wald und das Wasser sind mir sehr wichtig. Hier schöpfe ich Kraft.

Und wie sieht beispielsweise ein freies Wochenende bei Ihnen aus?

Freie Wochenenden, soweit sie wieder vorkommen, verbringe ich mit meiner Familie, gern in unserem Garten, mit unseren Katzen, dem Hund, den Hühnern und bald den Bienen. Zurzeit ernte ich Spargel für meine Frau.

Die Fragen stellten Vesa Elbe 
und Torsten Müller

 

Anmerkung der Redaktion
Die Presseerklärung der Stadtverwaltung vom 5. Mai 2021, auf die Swen Ennullat anfangs des Gesprächs Bezug nimmt, hat folgenden Wortlaut:
„Die im Vorfeld des Bürgerentscheides über die Abwahl des Bürgermeisters der Stadt Königs Wusterhausen öffentlich erhobenen Mobbing-Vorwürfe gegen eine leitende Mitarbeiterin und zwei leitende Mitarbeiter der Stadtverwaltung sind substanz- und somit gegenstandlos. Weder gegen den damaligen Bürgermeister, Swen Ennullat, noch gegen den allgemeinen Vertreter des Bürgermeisters, René Klaus, oder die Leiterin des Fachbereiches Zentrale Dienste, Andrea Schulz, konnten Verdachtsmomente, die einem Mobbing-Vorwurf zugrunde liegen, bestätigt werden. Es gibt diesbezüglich auch keine arbeits- und dienstrechtlichen Verfahren.“

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