Kinder, wie die Zeit vergeht! Nun ist die große Blende auch schon 20 Jahre her. Und Hut ab! Vor wem? Na vor uns Neubundis! Wir sind angekommen in einer bis dato fremden Welt. Nachdem uns eine vertraute, eingemauerte Lebenskontinuität weggebrochen war, wurden wir erstmal Fremde im eignen Land. So ungefähr wie in der Situation, wo der Ostdeutsche in der Wüste sitzt und ein Westdeutscher dazukommt; „Rück gefälligst mal ein Stück!“. Aber mit Trotz haben wir unser komplettes Leben auf den Kopf gestellt und wechselten vom Internat der DDR ins Internet der Welt.
Blühende Landschaften, also dass uns was blüht, wie es uns einst Deutschlands dickste Birne versprach? Doch, wir haben Farbe bekommen. Im Urlaub überall auf der Welt und auf den Industriebrachen im Fünfneuland wächst auch wieder blühendes Unkraut. Ansonsten braucht der Osten noch fünfzig Jahre, um den Westen einzuholen, wie ein Wirtschaftsinstitut in Halle jetzt ermittelte.
Ist ja auch verständlich. Wir in der Einstigen hatten doch nichts! Nur eine Mangelwirtschaft. Da fehlte es an allen Ecken und Kanten. In der Wirtschaft wie überhaupt. Gut, wir hatten politische Betonköpfe, die Mauerbeton ansehnlicher als Eigenheimmauern fanden. Wir hatten eine Weltanschauung, ohne dass wir uns die Welt anschauen konnten. Aber sonst: Es mangelte uns an Rauschgift, Kinderpornos, außer zur Leipziger Messe an Nutten, an 283 Krankenkassen, Kinderarmut, Hartz-IV, Abzockerbanken, Sozialhilfeämtern, Wohngeldstellen, Neonazis, Ein-Euro-Jobbern.
Wir im Osten hatten doch nüscht. Nicht mal Hunger.
Mark Brandenburger
Ange(mark)t Wir hatten doch nüscht!