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Donnerstag, November 30, 2023
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Wohin mit Schönefelds Luftfahrtgeschichte?

Die jetzige Verwaltung der Flughafengemeinde sagt:
Das Rathaus kann kein reines Luftfahrt-Museum sein

Schönefelds neues Rathaus stand lange isoliert auf dem „Acker“. Viele fragten sich damals, was soll das? Dass hier einmal der Kern des neuen Schönefelds rund um den neuen Flughafen BER sein würde, konnte man sich kaum vorstellen. Doch heute zeigt sich, dass die Entscheidungen des Teams rund um den einstigen Bürgermeister Dr. Udo Haase und der damaligen Gemeindevertreter von großer Weitsicht waren.

So neu und fernab der Standort auch vom einstigen Interflug-Schönefeld war, das Haus erinnerte von Anfang an daran, worauf der Begriff der Flug­hafengemeinde fußt. Die Flure und Zimmer, die alle Namen haben, die einen Bezug zum Ort und der Fliegerei herstellen, sollten Geschichte bewahren und auch Kenntnisse vermitteln. „Wir haben hier mit 5000 Schönefeldern angefangen“, erinnert sich Udo Haase, „wir wußten, in wenigen Jahren würden die Zugezogenen in der Mehrheit sein. Wir wollten den Alten die Möglichkeit geben, ihre Erinnerungen an einem öffentlichen Ort zu zeigen und den Neuen erzählen, dass es hier nicht erst mit dem BER losgeht.“

Seit letztem Sommer aber sind insbesondere unter ehemaligen Interflug-Beschäftigten, die einst mit Leihgaben und auch Geschenken vorbeikamen, Unruhe und Fragen aufgekommen. „Exponate von mir wie zum Beispiel Flugzeugmodelle standen nicht mehr dort, wo sie immer gewesen waren“, berichtet zum Beispiel Wolfgang Schulz. Er hat 20 Jahre lang bei INTERFLUG gearbeitet und war dort für die Sicherheitsanlagen zuständig. Jetzt engagiert sich der 79jährige als Vorsitzender des Luftfahrtclubs Otto Lilienthal für die Bewahrung der mit dem Ort verbundenen Luftfahrtgeschichte. Zu Hause betreibt er in einem ehemaligen Gewächshaus sein eigenes kleines Museum. „Ich konnte auf mein Bitten schon vor Monaten mit Verwaltungsmitarbeiterinnen durchs Rathaus gehen“, berichtet er, „es hat sich alles angefunden, es ist nichts weggekommen“, sagt er erleichtert. „Aber mir wurde auch mitgeteilt, dass nicht mehr alles gezeigt wird. Bis heute warte ich auf eine Nachricht, wie es nun weitergeht. Für mich ist klar, alles was im Rathaus gezeigt wurde und noch wird, ist Geschichte und gehört zu Schönefeld. Das darf nicht aus der Öffentlichkeit unseres Ortes verschwinden.“

Das Thema ist auf Antrag der Linken bereits in der Gemeindeversammlung behandelt worden. Die Fraktion wollte in ihrer Beschlussvorlage zur „Erhaltung der Erinnerungen an die Luftfahrtgeschichte der Gemeinde Schönefeld im Rathaus“ erreichen, dass nicht allein der Bürgermeister und die Verwaltung entscheiden, was wie im Rathaus gezeigt wird, sondern auch die Gemeindevertreter ein Mitspracherecht bekommen. Dies wurde mehrheitlich abgelehnt. „Das ist ein demokratischer Beschluss, den gilt es anzuerkennen und zu respektieren“, sagt Linken-Fraktionschef Wolfgang Katzer. Er hat selbst von der Lehre bis zum INTERFLUG-Aus im Jahre 1992 am alten Flughafen Schönefeld gearbeitet. „Es braucht insgesamt eine Grundsatzidee, wie in Schönefeld künftig Luftfahrtgeschichte öffentlich und dauerhaft präsentiert werden kann“, sagt er. Im Rahmen der gegenwärtig laufenden Bürgerbefragung im Dialogforum BER schlägt er vor, zusammen mit der Flughafengesellschaft das alte Schönefelder Terminal, das heutige BER-Terminal 5, das nicht mehr gebraucht wird, als einen Ausstellunsgort in Betracht zu ziehen.

Da ist der jetztige Bürgermeister Christian Hentschel allerdings skeptisch. „Ich denke, dieses Gebäude wird über kurz oder lang weiteren Entwicklungen am BER weichen“, sagt er im Gespräch mit dem KaWe-Kurier. Er sieht eher in einem der alten Gebäude der Henschel-Flugzeugwerke Potenzial, um gemeinsam mit der FBB einen Ausstellungsort zu kreieren. Aber derzeit gebe es keine ­Gespräche dazu.

Fakt sei aber, dass die Austellungen im Rathaus neu gestaltet werden sollen und dabei auch die Luftfahrtgeschichte reduziert wird. Nach dem Beschluss der Gemeindevertreter betont er noch einmal, dass die Entscheidungen zur Rathausgestaltung ein „Akt der laufenden Verwaltung sind. Das heißt, der Bürgermeister entscheidet, was ausgestellt wird.“ Das Rathaus gleiche derzeit einem Luftfahrtmuseum, sagt er. Schönefeld habe aber auch noch andere Aspekte und Themen, die im Verwaltungsgebäude ihren Platz finden sollen. „Das sind zum Beispiel Familie, Entwicklung, Natur und Nachhaltigkeit“, betont Christian Hentschel. Da derzeitig die vierte Etage des Rathauses von e.dis freigezogen werde und dort auch Rathaus-Mitarbeiter einziehen, arbeite man gerade an einem neuen Gestaltungskonzept für die öffentlichen Bereiche.„Das werden wir in der Gemeindeversammlung vorstellen, wobei wir auch für Vorschläge offen sind. Aber letztlich ist es meine Entscheidung.“

Die Luftfahrt sei selbstredend ein Teil dieses Konzepts. Man werde mit allen Leihgebern Kontakt aufnehmen, was man noch zeigen wolle und was nicht. Zum Beispiel soll künftig die Wandtafel mit dem Interflug-Reisebüro an exponierter Stelle im Brandenburg-Saal ausgestellt werden.

Nicht nur die Alt-Schönefelder werden nun gespannt darauf schauen, was mit den weiteren Bildern, Modellen oder Reliefs geschehen wird. Als besondere Stücke nennt der Bürgermeister a.D. Udo Haase zum Beispiel die Enkaustik-Bilder vom einstigen Diepensee, Malerei mit Motiven aus dem alten Selchow, das von Lehrlingen der Flugzeugwerke gebaute Henschel-Modell HS 123 oder das Gemälde der ersten Gemeindevertreter des neuen Schönefelds, die einst mit ihrem Beschluss den BER überhaupt auf den Weg brachten. Dieses Bild, so erfuhr der KaWe-Kurier, wurde zuletzt an einer Wand lehnend im leerstehenden Gebäude am Schwalbenweg, in das ein Eltern-Kind-Zentrum einziehen soll, gesichtet. Es sah ein bisschen danach aus wie „Wohin damit?“. TM

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